Der Leitzins bleibt bei 1.75 Prozent. Nach fünf Zinserhöhungen verzichtet die Nationalbank auf eine weitere Anhebung. Im Interview erklärt SNB-Chef Thomas Jordan die Gründe.
SRF News: Im Juni entstand das Gefühl, dass es heute eine weitere Zinserhöhung geben werde. Nun belassen Sie den Leitzins, wo er ist, bei 1.75 Prozent. Was hat sich fundamental verändert?
Thomas Jordan: Wir haben insgesamt einen etwas tieferen Inflationsdruck. Wenn man die Inflationsprognose anschaut, dann sieht man, dass am längeren Ende, das heisst 2025, die Inflation jetzt wieder unter zwei Prozent ist. Wir hatten auch eine gewisse Aufwertung des Schweizer Frankens. Beides hat uns dazu bewogen, die nächste Entwicklung abzuwarten und dann im Dezember erneut zu entscheiden, ob eine weitere Verschärfung der Geldpolitik notwendig ist.
Was treibt die Inflation an? Und wie setzt sich die Inflation zusammen in den kommenden Monaten?
Aktuell haben wir eine recht tiefe Inflation von 1.6 Prozent. Sie wird aber wieder ansteigen. Unsere Prognose zeigt, dass sie bis auf etwa 2.2 Prozent zunimmt. Die Haupttreiber dieses Anstieges sind die Mieten und die Energiepreise.
Als wie gross erachten Sie die Gefahr von weiteren Zweitrundeneffekten?
Wir beobachten natürlich Zweitrundeneffekte. Die gibt es immer, auch in Zukunft wird es sie geben. Es ist eine Frage, auf welcher Höhe sie stattfinden. Und wenn natürlich die Energie teurer wird, steigen die Kosten für die Unternehmen. Wichtig für uns ist, dass wir nicht sich verstärkende Zweitrundeneffekte haben, sondern dass sie sich über die Zeit wieder auf ein akzeptables Niveau reduzieren.
Wir werden die Situation weiter beobachten. Wenn nötig zögern wir nicht, die Geldpolitik weiter zu straffen.
Inwieweit besteht aus Ihrer Sicht die Gefahr einer Lohn-/Preisspirale?
Das kommt darauf an, wie sich die Löhne entwickeln. Wir halten uns hier aber raus. Es ist einfach sehr wichtig, dass wir eine Entwicklung haben, die die Inflation mittelfristig nicht zu stark nach oben treibt.
Unter welchen Umständen kommen weitere Zinsschritte in Zukunft infrage?
Wir machen keine Prognosen in dieser Hinsicht. Wir haben heute klar gesagt, dass wir die Situation beobachten. Wenn nötig zögern wir nicht, die Geldpolitik weiter zu straffen, um sicherzustellen, dass wir auch nachhaltig die Inflation im Bereich der Preisstabilität stabilisieren können.
Der wichtige Schweizer Handelspartner Deutschland rutschte dieses Jahr in eine technische Rezession mit negativem Wirtschaftswachstum in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen. Für wie gross halten Sie die Gefahr, dass dies auch der Schweiz blühen könnte?
Wir haben diesem Szenario keine Wahrscheinlichkeit beigemessen. Auch das letzte Quartal war eine schwarze Null, also leicht positiv. Es ist aber auch nicht völlig auszuschliessen, dass sich die Weltwirtschaft negativer entwickelt, als wir das jetzt im Moment annehmen.
Das Gespräch führte Andreas Kohli.