Sie verkünden den Fortschritt. Sie wollen die Welt verbessern – Unternehmer im Silicon Valley. Firmen wie Google, Apple oder Facebook verändern unser Verhalten. Die weniger glänzende Seite dieser männerdominierten Tech-Welt: Sexismus.
«Sexismus ist absolut da, speziell in der Investorenszene und überall sonst auch», sagt Lea von Bidder, Schweizer Jungunternehmerin gegenüber «ECO». Seit zwei Jahren lebt die 27-Jährige in San Francisco und vermarktet von hier aus ihr Produkt Ava – ein Sensorband, das die fruchtbarsten Tage der Frau anzeigt.
Enge Freundinnen im Silicon Valley hätten entsprechende Erfahrungen gemacht, erzählt Lea von Bidder. Es beginne damit, dass sie als Frau von Investoren nicht ernstgenommen würden. «Diese Storys sind kritisch und machen mir Sorgen», sagt sie.
Verbreitete Macho-Kultur
«Geh, meine Liebe, und überprüf die Klickraten. Wir Männer kümmern uns um das Geschäft», bekam zum Beispiel Liesl Yearsley zu hören, mehrfache Tech-Firmengründerin im Silicon Valley. Yearsley ist eine Expertin im Bereich künstliche Intelligenz. Eines ihrer Unternehmen wurde von IBM übernommen. Trotzdem sei sie an Sitzungen ignoriert worden, man vermied den Augenkontakt mit ihr.
In letzter Zeit wurden einige Fälle von sexueller Belästigung im Valley publik. Gegenüber CNN packten betroffene Frauen aus. In vielen Tech-Unternehmen scheint eine Macho-Kultur verbreitet. Nicht nur in kleinen Start-ups, sondern auch in grossen Unternehmen. «Es entstehen ganze Kulturen rund um Start-ups, die sexistisch sind», meint Lea von Bidder. «Wenn man mal eine Kultur dafür schafft, lässt sich das fast nicht mehr bremsen.»
«Ich bin ein Ekel»
Doch sexistisches Verhalten und sexuelle Belästigungen scheinen vermehrt Folgen zu haben: Der Taxivermittlungs-Dienst Uber entliess nach Sexismus-Vorwürfen Topmanager.
Auch einflussreiche Silicon-Valley-Investoren mussten deshalb zurücktreten. Zum Beispiel Dave McClure, Gründer und Chef von «500 Startups». McClure hatte einer Jungunternehmerin per Facebook geschrieben, er wisse nicht, ob er sie einstellen oder anbaggern solle. Es war nur einer der Fälle, die publik wurden.
McClure entschuldigte sich im Nachhinein öffentlich für sein Verhalten gegenüber Frauen. «Ich bin ein Ekel, es tut mir leid».
Der Männerüberschuss in der IT-Branche habe biologische Gründe, schrieb ein Google-Ingenieur in einem sexistischen Text , der an die Öffentlichkeit gelangte. Frauen seien von der Evolution benachteiligt und deshalb weniger geeignet für Programmierjobs, so seine Worte. Er wurde gefeuert.
Techies versprechen Besserung
Der Frauenanteil bei den grossen Silicon-Valley-Techkonzernen ist tatsächlich klein. Dies hat aber wohl andere Gründe, und die Unternehmen wollen dies nun ändern, vermehrt mit eigenen «Diversity»-Abteilungen. Auch Karin Schwab (45) bestätigt einen Wandel.
Die Schweizerin ist im Top-Management des Online-Marktplatzes Ebay. Seit bald fünf Jahren amtet Schwab am Hauptsitz in San José, als Leiterin der US-Rechtsabteilung. Der Frauenanteil bei Ebay liege insgesamt bei rund 33 Prozent, im Techbereich sogar nur bei 20 Prozent.
Nun überlege sich Ebay, bei Bewerbungen auf Namen und Geschlecht der Kandidaten zu verzichten. «Auf diese Weise schaut man einen Lebenslauf mit objektiveren Augen an und lässt sich nicht von Namen oder Geschlecht beeinflussen», sagt Karin Schwab.
Frauen müssen immer kämpfen – leider noch immer.
«Frauen müssen immer kämpfen – leider noch immer», sagt sie. Deshalb sei es wichtig, dass es weibliche Vorbilder in Führungspositionen gäbe, die wiederum Frauen nachzögen.
Frauen müssen härter arbeiten
Auch Airbnb hat sich der Frauenförderung verschrieben. Bei der globalen Wohnungsvermittlungs-Plattform ist der Frauenanteil mit insgesamt 43 Prozent vergleichsweise hoch. In den technischen Jobs sind es jedoch nur 26 Prozent.
«Die Kultur im Silicon Valley ist sehr männderdominiert, deshalb ist es wichtig, dass sich Frauen in Unternehmen wohl fühlen und sie gefordert werden», findet die Schweizerin Anita Roth (36). Sie arbeitet als Head of Policy Research im Hauptsitz von Airbnb in San Francisco.
Airbnb stelle sicher, dass Frauen gleich bezahlt würden und die gleichen Aufstiegsmöglichkeiten hätten wie Männer, sagt Anita Roth.
Doch es gibt noch viel zu tun. Anita Roths Ehemann, Kasima Tharnpipitchai – IT-Ingenieur in San Francisco – bestätigt: «Systematische Geschlechter-Diskriminierung ist Tatsache. Frauen wie Anita müssen härter arbeiten, um denselben Lohn und dieselbe Anerkennung zu erhalten», sagt er. «Das Thema der männerdominierten Kultur ist auf der ganzen Welt aktuell.»