Knapp neun Prozent sind die Lebensmittel im EU-Durchschnitt im vergangenen Monat teurer geworden. Einzelne Länder wie etwa Litauen oder Bulgarien zahlen gar über 20 Prozent mehr. In der Schweiz beträgt die Zunahme gerade einmal ein Prozent. Bauernpräsident Markus Ritter sagt im «Eco Talk», weshalb die Preise bei uns so stabil sind und womit in den nächsten Wochen zu rechnen ist.
SRF News: Die Lebensmittelpreise haben sich in der Schweiz bis jetzt kaum verändert. Müssen wir in den nächsten Monaten doch noch mit massiven Aufschlägen rechnen?
Markus Ritter: Es kommen bestimmt gewisse Aufschläge auf uns zu, allerdings niemals so wie im umliegenden Ausland. Die Mehrkosten belaufen sich bei uns auf rund 900 Millionen Franken im laufenden Jahr. Im Verhältnis dazu werden in der Schweiz jährlich Lebensmittel für 63 Milliarden in Detailhandel und Gastronomie umgesetzt. Wir haben aktuell den Vorteil, dass die Preise in der Schweiz verglichen mit dem Weltmarkt schon immer vergleichsweise hoch waren, das dämpft die aktuelle Kostenentwicklung und somit auch die Teuerung bei uns im Land.
Was uns beschäftigt, sind höhere Kosten bei der Produktion; beispielsweise für Energie oder Dünger.
Die Weltmarktpreise nähern sich also dem Schweizer Preisniveau an?
Nehmen wir den Weizen als Beispiel: Der Preis auf dem Weltmarkt lag vor Kriegsausbruch in der Ukraine bei rund 200 Franken pro Tonne und ist auf über 400 Franken angestiegen. In der Schweiz bezahlen wir aktuell rund 500 Franken pro Tonne. Der Grenzschutz im Schweizer Agrarmarkt hat uns geholfen, die Preissteigerungen hierzulande aufzufangen. Was uns beschäftigt, sind höhere Kosten bei der Produktion; beispielsweise für Energie oder Dünger. Hier müssen auch die Schweizer Konsumenten und Konsumentinnen mit einem moderaten Aufschlag rechnen.
Es könnte also gut sein, dass auf dem Weltmarkt bald mehr für den Weizen bezahlt wird als in der Schweiz. Werden Sie dann Ihren Weizen exportieren?
Wir sind bereits nahe dran und das bereitet mir Sorgen. Nicht wegen der Schweizer Bauern, sondern wegen der vielen Länder, die lediglich über eine tiefe Kaufkraft verfügen. Die Leute dort können sich dann Grundnahrungsmittel wie Brot kaum mehr leisten. Das ist keine gute Entwicklung.
Bei den Weizenimporten ist die Schweiz kaum von der Ukraine oder Russland abhängig. Anders sieht es beim Dünger aus, da ist Russland ein wichtiger Produzent – mit Konsequenzen auch für die Schweizer Bauern?
Der Düngerpreis hat sich seit Kriegsbeginn vervierfacht, das führt produktionsseitig zu einem enormen Kostenschub und ein Ende ist aktuell nicht in Sicht. Wir hatten bis anhin den Vorteil, dass wir noch über Bestände aus dem letztjährigen Einkauf verfügten. Um einiges teurer wird die Produktion dann im nächsten Jahr, wenn die Schweizer Bauern den Dünger zu den aktuellen Marktpreisen beziehen müssen.
Die Schweiz ist in Sachen Kaufkraft im Vorteil.
Russland ist ein wichtiger Düngerfabrikant. Kommen Schweizer Bauern überhaupt noch an diesen Dünger?
Auch hier ist die Schweiz in Sachen Kaufkraft im Vorteil – wir können uns den Dünger nach wie vor leisten. Problematisch wird es wiederum für Länder mit einer viel tieferen Kaufkraft. Diese werden einfach weniger düngen. Das wiederum führt zu geringeren Ernteerträgen und wird die Nahrungsmittelkrise im 2023 noch weiter verschärfen.
Das Gespräch führte Reto Lipp.