SRF: Wie hart trifft die Pleite Südkorea?
Martin Fritz: Die Grossreederei Hanjin selbst hat nur 2000 Mitarbeiter in Südkorea, die meisten Stellen befinden sich ausserhalb des Landes. Aber alleine in der Hafenstadt Busan hängen 11‘000 Jobs am Container-Umschlag mit den Schiffen von Hanjin. Bisher galt in Seoul die Devise, Hanjin sei zu gross, um unterzugehen. Aber von einer Rettung ist die südkoreanische Regierung abgerückt, weil Meinungsumfragen jetzt zeigen, dass die Wähler weitere Milliarden-Hilfen mit Steuergeldern ablehnen.
Neben den Reedern sind in Südkorea auch Schiffsbauer in der Krise. Und am Schiffsbau hängen in Südkorea rund 200‘000 Arbeitsplätze. Gibt’s da Parallelen zum Reedereigeschäft?
Die Frachtpreise sind so niedrig, weil es Überkapazitäten bei den vorhandenen Containerschiffen gibt. Niemand gibt also neue Container-Schiffe in Auftrag. Die neuen Aufträge für koreanische Werften im ersten Halbjahr lagen 90 Prozent unter dem Vorjahr. Dazu kommt der niedrige Öl- und Gaspreis. Diese koreanischen Werften haben sich auf Öl- und Gas-Förderplattformen und die dazugehörigen Versorgungsschiffe spezialisiert. Bei dem niedrigen Ölpreis werden weniger Plattformen gebraucht.
Die ganze Schiffsindustrie ist also in Südkorea in der Krise. Was will die Regierung tun?
Zunächst hat sie den Schiffsbauern selber direkt Geld gegeben. Allein die Nummer 2 und Nummer 4 von Südkorea haben über 8 Milliarden Franken bekommen. Und demnächst gehen weitere 10 Milliarden Franken als Hilfen an die Banken, die diese Kredite halten. Aber mehr Hilfe soll es nicht geben. Die Unternehmen sollen sich nun umstrukturieren. Dieser Prozess hat bereits begonnen. Die drei grossen Schiffsbauer wollen über 10 Milliarden Franken einsparen, Vermögenswerte verkaufen und Leute entlassen. Aber grundsätzlich droht immer noch einigen der Firmen die Insolvenz, zumindest den kleineren.
Was passiert, wenn die Regierung die Krise nicht in den Griff bekommt?
Dann wird es wohl Ärger geben. Die südkoreanischen Arbeiter sind bekannt für ihre manchmal gewalttätigen Streiks und Proteste. Die Regierung schätzt, dass in den nächsten zwei bis drei Jahren etwa 60‘000 Jobs und 20 Prozent der Werftkapazität verschwinden werden. Die Regierung hat einen parteiübergreifenden Pakt geschlossen, um den sozialen Frieden zu wahren, aber die Gewerkschaften sind ausgestiegen. Der Umbau der Schiffsindustrie wird nicht nur schmerzhaft werden, sondern auch bis ins Präsidentenwahljahr 2017 die Tagespolitik bestimmen.
Das Gespräch führte Salvador Atasoy.