Die Credit Suisse soll Tausende fragwürdiger Kunden betreut haben – das behaupten seit vergangenem Sonntag Dutzende internationale Medien, die sich auf ein Datenleck beziehen.
Geldwäscherei-Experte Daniel Thelesklaf sieht grosse Versäumnisse bei der Credit Suisse, kritisiert im Interview aber auch die Schweizer Behörden.
SRF: Waren Sie von diesen Leaks überrascht?
Daniel Thelesklaf: Nicht wirklich. Insider und Insiderinnen kennen die Rolle der Credit Suisse in diesem Zusammenhang. Aber aufgezeigt zu bekommen, was sich da angesammelt hat, ist dann schon noch mal beeindruckend.
Es heisst, die Konten reichten von 1940 bis weit ins letzte Jahrzehnt. Aber es macht ja etwa einen Unterschied, ob es 2013 oder 2018 ist. Wissen Sie mehr?
Ich habe schon den Eindruck, dass an ganz aktuellen Fällen nicht mehr viel dazugekommen ist. Das würde sich damit decken, dass die Bank in den letzten sechs bis sieben Jahren massiv aufräumen musste.
Die Reaktion der Credit Suisse ist sehr typisch.
Ich nehme ihr nicht ganz ab, dass sie das freiwillig gemacht hat. Ich glaube, da war die Finma dahinter, die sie gezwungen hat.
Wie beurteilen Sie die Reaktion der Credit Suisse?
Sehr typisch. Man denkt nicht eine Sekunde daran, dass hier auch viele Opfer dahinterstehen, denen Geld weggenommen wurde. Anstatt sich die Fragen zu stellen: Wie viel Geld haben wir damit verdient? Was könnten wir machen, um hier eine Entschädigung für Opfer vorzusehen?, geht man davon aus, dass da ein Angriff auf den ganzen Finanzplatz stattfindet.
Solange die Mentalität eine Bunker-, eine Wagenburgmentalität ist, habe ich wenig Grund zur Hoffnung, dass sich in der Zukunft wirklich etwas fundamental ändert.
Wie ernstzunehmend sind diese Recherchen Ihrer Meinung nach?
Von all diesen Leaks, die es schon gegeben hat, ist das das Grösste und Wichtigste, weil die Informationen direkt von einer Bank stammen. Die Bank steht ja im Zentrum der Geschäftsbeziehung.
Frühere Leaks betrafen eher periphere Dienstleister, also einen Anwalt oder einen Trustee, der auch noch einen Teil der Geschäftsbeziehung abgedeckt hat. Hier sieht man doch sehr viel mehr und viel tiefer.
Wo bei den Behörden sehen Sie einen Mangel?
Bis vor wenigen Jahren war Geldwäschereibekämpfung praktisch kein Thema in der Schweiz. Bei der Geldwäschereibehörde hat es bis 2015 keine Ressourcen gegeben und auch kein Bedürfnis, da genauer hinzuschauen. Das hat sich dann geändert aufgrund von Druck von aussen.
Mehr Beissbereitschaft der Behörden wäre dringend nötig.
Bei den Strafverfolgungsbehörden hat man auch das Gefühl, es dauert sehr lange, bis Fälle endlich zur Anklage kommen. Und wenn sie einmal zur Anklage kommen, scheinen es mir doch relativ kleine Fälle zu sein.
Ich glaube, hier wäre schon mehr Beissbereitschaft der Behörden dringend nötig angesichts der Grösse des Finanzplatzes Schweiz.
Was müsste sich in Bezug auf Geldwäschereibekämpfung ändern?
Man sieht es ja auch an den Reaktionen. Die Empörung ist vor allem über den Whistleblower da, der das aufgedeckt hat und sich strafbar gemacht hat.
Aber das sind ja nicht irgendwelche Delikte, die leichter Natur wären. Wir sprechen hier von Menschenhandel, von Ausbeutung von Kindern, von schweren Formen von Arbeitsausbeutung, von Korruption.
Das sind alles Delikte, die schwer sind, aber typischerweise in der Schweiz nicht vorkommen. Und was mir fehlt, ist, dass die Behörden auch aufzeigen, welche Konsequenz es hat, wenn man Geldwäscherei zulässt.
Das Gespräch führte Manuela Siegert.