«Ich bin seit 35 Jahren im Unternehmen tätig. Aber ich habe noch nie erlebt, dass sich alles gleichzeitig verteuert und auch die Lieferzeiten so enorm länger wurden», sagt Claudia Streuli, Verwaltungsratspräsidentin des Arzneimittelherstellers Streuli Pharma.
Das Ostschweizer KMU produziert mit seinen 200 Mitarbeitenden rund 90 Präparate wie Schmerzmittel, Antiallergika und Vitamine in der Schweiz.
Teure Rohstoffe
Die Produktion werde immer teurer, sagt die Streuli-Chefin. Zum Beispiel jene der Vitamin-D3-Tropfen. Ein viel verkauftes Mittel, das Säuglinge für das Knochenwachstum brauchen. Viele Erwachsene nehmen es in den Wintermonaten für das Immunsystem, ältere Leute gegen Osteoporose.
«Allein der Preis für den Wirkstoff hat sich auf rund 17'000 Franken verdoppelt», so Streuli. Vergangenes Jahr kostete ein Kilogramm laut Streuli 7000 Franken. Auch Hilfsstoffe und Verpackung seien teurer geworden. Über alles um rund 25 Prozent. Die höheren Energiepreise seien noch nicht dabei.
Tieferer Preis
Die Kostensteigerungen weiterzugeben, gehe nicht, so Streuli. Die Mehrzahl der Präparate werde von der Krankenversicherung zurückerstattet, der Produktpreis deshalb vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) festgelegt. Dieses entschied im Jahr 2022, die Preise für die Vitamin-D3-Tropfen um sechs Prozent zu senken.
Das BAG tat dies im Rahmen regelmässiger Preisüberprüfungen, um die Kosten zu senken. Im Vergleich zum Ausland sind Medikamente hierzulande teurer. Unternehmerin Streuli begründet den Unterschied etwa mit höheren Löhnen in der Schweiz und höherem Regulierungsaufwand für dreisprachige Beipackzettel.
Im Notfall, wenn wir unter den Herstellungskosten sind, müssen wir das Produkt streichen.
Die Verkaufspreise zu reduzieren, sei kaum möglich. «Im Notfall, wenn wir unter den Herstellungskosten sind, müssen wir das Produkt streichen», so Streuli. Ein Zehntel der rund 90 Produkte stünden auf der Kippe. Das könnte eine Gefahr für die Versorgungslage in der Schweiz sein.
Besseres Meldesystem nötig
Für den Preisüberwacher sind höhere Preise kein Schutz vor Engpässen. «Wenn wir Versorgungssicherheit wollen, müssen wir eine bessere Lagerhaltung, bessere Bewirtschaftung oder bessere Meldungen der Mangelfälle haben», sagt Stefan Meierhans.
Gemäss BAG ist es möglich, die Kosten einzudämmen und gleichzeitig die Versorgung zu gewährleisten: «Sollte der Vertrieb einzelner Arzneimittel aufgrund der Überprüfungen für die Zulassungsinhaber unrentabel werden, haben sie die Möglichkeit, eine Ausnahme von der Preissenkung zu beantragen», so ein Sprecher. Die Anträge würden geprüft und im Falle versorgungsrelevanter Produkte auf eine Preissenkung verzichtet. Letztes Jahr habe es 57 solcher Ausnahmen gegeben, so viele wie noch nie.
Flexibles System
Pharmachefin Streuli möchte keinen Heimatschutz, aber ein flexibles System. «Dass man die Preissenkungen für das Medikament für zwei oder drei Jahre aussetzt oder man auf den Auslandspreisvergleich verzichtet, wenn die Preise explodieren wie jetzt.»
Den Vergleich mit den Preisen im Ausland auszusetzen, ist auch eine Forderung einer Volksinitiative von Pharmafirmen und -verbänden, welche von Streuli unterstützt wird. Die Unterschriftensammlung soll Ende Februar starten.
Streuli hat inzwischen gegen die Preissenkung für Vitamin D3 Beschwerde beim BAG eingelegt.