Ein Blick in die Statistik der Nationalbank zeigt: Gemäss den jüngsten verfügbaren Zahlen waren im Oktober Geldnoten im Wert von insgesamt 85.6 Milliarden Franken im Umlauf. Das sind knapp sechs Milliarden Franken mehr als ein Jahr zuvor. Die Statistik zeigt auch, dass besonders die Nachfrage nach grossen Noten steigt – nach 1000ern und 200ern. Nur: Wo bleibt das ganze Geld, wenn doch die meisten Leute inzwischen mit Kreditkarte zahlen?
Ganz genau wisse man das nicht, sagt Ökonomie-Professorin Sarah Lein von der Universität Basel. «Aber wir wissen, dass das Bargeld aktuell gerade in grossen Noten abgezogen und auch dass die Umlaufgeschwindigkeit zurückgegangen ist, also dass einzelne Noten pro Jahr seltener den Besitzer wechseln.» Daraus könne man schliessen, dass ein Teil der grossen Noten im Tresor lande, sagt Lein, die früher auch für die Nationalbank gearbeitet hat.
Banken verlangen Negativzinsen
«Das kommt vor allem auch daher, dass die Zinsen gerade negativ sind und dass man bei grossen Einlagen bei vielen Banken inzwischen Negativzinsen bezahlt», sagt Lein. Daher könne es günstiger sein, die grossen Noten einfach ins Schliessfach zu legen – zumal die Inflation seit langem extrem tief ist.
Dieser Vorgang ist nicht aussergewöhnlich. Nach schriftlicher Auskunft der Nationalbank sind zwar auch in normalen Zeiten von Jahr zu Jahr mehr Noten im Umlauf. Der Wert steigt jährlich um drei bis vier Prozent. In Krisen aber werde zeitweise mehr Bargeld nachgefragt; besonders in Krisen, die das Vertrauen von Wirtschaft und Bevölkerung in das Bankensystem schwächten.
Umfang der Bestellungen variiert
Das zeige sich auch jetzt im Coronajahr, so Lein. Auf die Frage, wie die Nationalbank es schaffe, immer die richtige Menge Geld parat zu haben, auch wenn mal mehr, mal weniger mit Karte bezahlt oder im Schliessfach gebunkert wird, verweist die SNB auf die Geschäftsbanken. Sie würden jeweils angeben, wie viel Bargeld sie in welcher Stückelung benötigten.
Sowohl die Banken als auch die Nationalbank haben genügend Bargeld in ihren Kellern gelagert, um solche Nachfragen zu bedienen.
Aber woher wissen das die Banken? Daniel Kalt, Chefökonom der Grossbank UBS, erklärt: «Im Normalbetrieb versuchen wir, über Datenanalysen, die wir aus der Vergangenheit haben, Wochen für Woche, Tag für Tag abzuschätzen, wie viele Bargeldbestände in all den Geschäftsstellen und an Bankomaten jeweils abgerufen werden.» Das wird hochgerechnet, die entsprechende Menge bei der Nationalbank bestellt und nach Lieferung dann an die Bankfilialen und Bankomaten verteilt. Das sei ein eingespielter Prozess.
Trend an Schwankungen erkennbar
Die Nationalbank könne aufgrund der Bestellungen und ihrer Erfahrung recht gut abschätzen, wie viel Geld jeweils benötigt werde, bestätigt Geldpolitik-Expertin Lein. «Es ist nicht so, dass der Betrag von einem Tag auf den anderen massiv schwanken würde, das sind mittelfristige Trends, die man da beobachten kann.» Und selbst wenn: «Sowohl die Banken als auch die Nationalbank haben genügend Bargeld in ihren Kellern gelagert, um solche Nachfragen zu bedienen.» Es sei also immer genügend Geld verfügbar.
Nur ganz selten passiert es, dass doch einmal gar kein Bargeld mehr aus dem Bankomat kommt. Dann ist etwas gar nicht gut. In der Schweiz passierte das zuletzt vor knapp 30 Jahren. 1991 schloss die Spar- und Leihkasse Thun plötzlich ihre Filialen. Mit der richtigen Geldmenge hatte das nichts zu tun. Die Bank hatte sich schlicht verzockt, war überschuldet – und ging bankrott.