Grégory Grin ist erstaunt: «Wir haben mit dem Gegenteil gerechnet», sagt der Direktor von Fri Up, der Organisation des Kantons Freiburg, die Firmen bei ihrer Gründung berät. «Wir haben im Moment so viele Beratungen für Neugründungen wie noch nie. Es ist unser bestes Jahr.» Bereits 2019 war ein Rekordjahr für Fri Up, nun haben die Beratungen noch einmal um zehn Prozent zugenommen.
So viele Beratungen für Firmengründungen haben wir noch nie gemacht.
Diese Tendenz bestätigen auch die Zahlen des Kantons Freiburg. Demnach gab es zwar im April einen Einbruch. Spätestens seit Juni sind die Zahlen der Neueinschreibungen aber höher als im Vorjahr. Zusammengerechnet gab es zwischen Januar und September 2020 etwas mehr Neueinschreibungen als 2019. Konkurse gab es im gleichen Zeitraum übrigens weniger als 2019, was wohl aber auf die Unterstützungsmassnahmen der Behörden zurückzuführen ist. Das könnte sich korrigieren.
Ähnlich sieht es schweizweit aus. In den ersten neun Monaten wurden über 33'600 neue Firmen gegründet. Das sind 2.5 Prozent, oder gut 800 mehr als im Rekord-Vorjahr 2019, meldet das IFJ Institut. Vor allem in den Bereichen Handwerk und Beratung.
Dies ausgerechnet während der Coronakrise, in der die Zahl der Arbeitslosen in die Höhe geschnellt ist, die Wirtschaft einen grossen Einbruch erlitten hat und die Aussichten unsicher sind. Wieso wollen sich trotzdem viele selbstständig machen?
Der Lockdown gab den Impuls
«Genau das haben wir sie auch gefragt», sagt Grégory Grin. Die Antwort der meisten künftigen Selbstständigen: Während des Lockdowns hätten sie Zeit zum Nachdenken gehabt. Das Projekt hätten sie seit einem Moment in der Schublade, nun sei der Zeitpunkt gekommen, es zu verwirklichen: Der Lockdown als Bestätigung.
Viele möchten nun etwas Neues versuchen.
«Viele sind zum Entschluss gekommen, dass sie nicht 30 Jahre in derselben Firma arbeiten möchten. Sie möchten etwas versuchen», so Grin.
Viele Teilzeit-Selbstständige
Dies spürt auch das Pendant von Fri Up im Kanton Bern. Auch bei Be Advanced sind Beratungen immer gefragter, sagt Sprecherin Deborah Bass: «Viele entscheiden sich dabei für das Modell als Teilzeit-Selbstständige.» Sie hätten schon lange eine Idee im Hinterkopf und möchten dies nun umsetzen, aber weiterhin ein fixes Standbein als Angestellter haben. «Sie möchten eine gewisse Sicherheit behalten und nicht gleich alles auf eine Karte setzen», sagt Bass.
Keine neue Pandemie-Branche
Die Krise fördert Opportunitäten, heisst es bei Be Advanced und bei Fri Up. Beide sagen jedoch auch, dass es eine grosse Diversität bei den Gründungen gebe. Die wenigsten seien wegen Corona an sich entstanden. Klar habe das Coronavirus die Digitalisierung beschleunigt und die Nachfrage zum Beispiel an lokalen Produkten gesteigert. Darum habe sich in Freiburg zum Beispiel die Firma Local Impact neu gegründet, die online Angebote von kleineren Händlern zusammenträgt.
In den allermeisten Fällen habe das Coronavirus die Ideen aber einfach beschleunigt, einen Kick gegeben, auch, weil gewisse Entwicklungen einen Schub erhielten.
Dieser Trend zeichne sich in der Wirtschaftswelt seit einiger Zeit ab, sagt Deborah Bass von Be Advanced: «Es gibt viele Junge, die sich selber verwirklichen wollen, aber auch 50-Jährige, die lange in einem Unternehmen gearbeitet haben, die Kinder mittlerweile ausgezogen sind und sie sich nun verwirklichen möchten.» Dieser Trend, den es schon vor Corona gab, scheint von Corona nicht gebremst zu werden.