In der Schweiz gibt es zwei Statistiken zum Arbeitsmarkt: Es gibt die offizielle Arbeitslosenstatistik, die das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) jeden Monat veröffentlicht. Und es gibt die Erwerbslosenzahlen, die das Bundesamt für Statistik (BFS) publiziert.
Das Seco erfasst alle Personen, die bei einem Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) angemeldet sind. Die neuen Zahlen zeigen: Ende März waren das 157'968 Personen.
Diese Statistik unterzeichne jedoch das Niveau der Arbeitslosigkeit, erklärt Arbeitsmarktexperte Michael Siegenthaler von der Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH Zürich.
Jugendarbeitslosigkeit ist höher
«Jugendliche sind oft nicht beim RAV gemeldet, weil sie sich nichts davon versprechen, oder keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld haben», sagt Siegenthaler. Studentinnen und Studenten, die ihren Job verlieren, haben zum Beispiel keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld.
Jugendliche sind oft nicht beim RAV gemeldet.
Dabei sei es jetzt besonders wichtig, dass man ein möglichst genaues Bild bekomme, wie sehr junge Menschen im Alter zwischen 15 und 24 Jahren von der Coronakrise betroffen seien, sagt Siegenthaler. Viele Studierende haben im vergangenen Jahr ihre Nebenjobs im Gastro- und Eventbereich verloren. Und auch für Studienabgänger oder Lernende ist es schwieriger geworden, nach ihrer Ausbildung eine Stelle zu finden.
Auch Ausgesteuerte sind in der Statistik des Seco nicht erfasst. Ähnlich wie bei der Gruppe der Jugendlichen steigt die Zahl der Ausgesteuerten in Krisen tendenziell. Diesen Eindruck hat auch Pascal Scheiwiller vom schweizweit tätigen Personalberatungsbüro Von Rundstedt.
Arbeitsmangelquote liefert besseres Bild
Das BFS zählt auch die Arbeitssuchenden, die nicht beim RAV gemeldet sind, wobei diese Zahlen zur Erwerbslosigkeit nur quartalsweise veröffentlicht werden. Die Zahlen fürs erste Quartal 2021 sind deshalb noch nicht publiziert. Sie dürften erfahrungsgemäss über den Arbeitslosenzahlen des Seco liegen.
In Krisen sind zeitnahe Daten noch wichtiger als sonst.
Ein ganzheitliches Bild zeige aber auch diese Quote nicht, sagen Scheiwiller und Siegenthaler. In beiden Zahlen sind die Unterbeschäftigten nicht enthalten. Das sind all jene, die zwar eine Stelle haben, sich aber ein höheres Pensum wünschten. Auch das komme in Krisen öfters vor, sagen Schweiwiller und Siegenthaler, weil sich Menschen denken, «lieber eine tiefprozentige als gar keine Stelle».
Indikator für Lage auf dem Arbeitsmarkt
Scheiwiller schätzt deshalb, dass die eigentliche Arbeitsmangelquote bei gut 13 Prozent liegt. Im Vergleich: Die neuesten Zahlen des Seco zeigen eine Arbeitslosenquote von 3.4 Prozent für den Monat März. Trotzdem wollen beide Experten keinesfalls auf diese Arbeitslosenzahlen verzichten. «In Krisen sind zeitnahe Daten noch wichtiger als sonst», sagt Siegenthaler von der KOF.
Das Seco publiziert seine Zahlen monatlich. «Auch wenn die Seco-Zahlen das Niveau der Arbeitslosigkeit unterzeichnen, so liefern sie doch immerhin einen Indikator dafür, ob sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt zuspitzt oder entspannt», sagt Siegenthaler. Zudem sind die Daten sozialpolitisch relevant: Die Zahlen der RAV lassen Politikerinnen und Experten schätzen, wie sehr die Arbeitslosenkasse belastet wird.