Täglich 23 Stunden in Einzelhaft, keine Kontakte zu Mithäftlingen und nur an jedem dritten Tag eine Duschmöglichkeit. Dies ist momentan die harte Realität für Pierin Vincenz. Das Regime im Zürcher Untersuchungsgefängnis zählt zu den härtesten der Schweiz.
Vincenz, gegen den wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung ermittelt wird, drohen bis zu fünf Jahre Haft. Ihm wird vorgeworfen, sich im Zusammenhang mit der Übernahme der Aduno durch die Raiffeisen Gruppe persönlich bereichert zu haben. Was mit seiner Zeit in Untersuchungshaft passiert, ist massgeblich vom Urteil des Gerichtsverfahrens abhängig. Konkret gibt es drei Szenarien:
Unbedingte Freiheitsstrafe
Wird Vincenz zu einer unbedingten Freiheitsstrafe verurteilt und muss ins Gefängnis, wird ihm die Zeit in Untersuchungshaft angerechnet. Dies kommt relativ häufig vor, beispielsweise im Fall von Daniel Gloor: Der ehemalige Anlagechef der Beamten-Pensionskasse des Kantons Zürich (BVK) wurde 2012 unter anderem wegen Bestechung, ungetreuer Amtsführung und Geldwäscherei zu 6 Jahren und 3 Monaten Haft verurteilt. Davon verbrachte er bereits 185 Tage in Untersuchungshaft womit sich seine Haftstrafe um rund 6 Monate verkürzte. Die Haftbedingungen im Strafvollzug sind allerdings deutlich angenehmer als während der Untersuchungshaft.
Freispruch
Bei einem Freispruch oder der Einstellung des Verfahrens winkt eine finanzielle Entschädigung. Dieses Szenario traf im Verfahren um den Privatbankier Oskar Holenweger zu. Ihm wurde Geldwäscherei für südamerikanische Drogenkartelle vorgeworfen. 2004 verbrachte er insgesamt 49 Tage in Untersuchungshaft. Dafür wurden ihm 2011 vom Bundesstrafgericht in Bellinzona 10'000 Franken Entschädigung und 35'000 Franken als Genugtuung zugesprochen. Zusätzlich erhielt er 376'000 Franken als Beitrag an seine Anwaltskosten während des acht Jahre dauernden Verfahrens.
Auch im Falle Vincenz dürfte dieses Szenario für den Steuerzahler teuer werden. Denn bezahlt werden nicht nur Genugtuung und die wirtschaftlichen Ausfälle, sondern auch seine Anwaltskosten. Mit Lorenz Erni verpflichtete der Ex-Banker einen der prominentesten Anwälte der Schweiz. Er vertrat unter anderem Sepp Blatter oder Roman Polanski.
Bedingte Freiheitsstrafe
Bei einer Verurteilung zu einer bedingten Freiheitsstrafe ginge Vincenz «leer» aus. Denn die Untersuchungshaft ist keine Haft im eigentlichen Sinne, sondern eine Zwangsmassnahme. So müsste Vincenz zwar nicht ins Gefängnis, der Schuldspruch würde aber die Untersuchungshaft rechtfertigen. Somit hätte Vincenz keinen Anspruch auf eine Entschädigung und müsste auch die Verfahrens- und Anwaltskosten übernehmen.
In jedem Fall wird Pierin Vincenz wohl aber als Verlierer aus der Sache gehen. Im Falle eines Freispruches lässt sich die tatsächliche Höhe des erlittenen Schadens – finanziell und persönlich – kaum beziffern. Fakt ist auch, dass die Haftbedingungen in der Untersuchungshaft deutlich härter sind als im regulären Strafvollzug. Ein baldiger Abschluss der Untersuchungen ist damit wohl im Interesse aller Beteiligter.