Firmen in Grossbritannien haben bis letzte Woche erstmals ihre Medianlöhne für Frauen und Männer offenlegen müssen, darunter auch Schweizer Firmen. Die Datensammlung der über 10'000 Unternehmen zeigt: Fast 90 Prozent der Frauen haben tiefere Durchschnittslöhne als die Männer – auch in Schweizer Firmen.
UBS und CS schneiden schlecht ab
Die Grossbanken UBS und Credit Suisse etwa zahlen ihren Mitarbeiterinnen in Grossbritannien deutlich weniger als ihren Mitarbeitern. Thomas Meier von der Firma Incon in St. Gallen, Spezialist für Lohnanalysen, hat die Daten angeschaut.
Es lässt sich nicht mit absoluter Sicherheit sagen, ob die Banken die Frauen schlechter entlöhnen oder ob sie vielleicht keine Frauen für höhere Funktionen finden.
Bei der UBS sei der Medianlohn von Frauen 25 Prozent tiefer als der von Männern, bei der CS sogar 30 Prozent. «Das ist natürlich schlecht. Aber es lässt sich nicht mit absoluter Sicherheit sagen, ob die Banken die Frauen schlechter entlöhnen oder ob sie vielleicht keine Frauen für höhere Funktionen finden», sagt Meier.
UBS: Mehr Männer auf Teppichetagen
Genau so erklären sich auf Anfrage die zwei Banken. Die UBS nahm zu den Lohnunterschieden in Grossbritannien schriftlich Stellung:
«Die Berechnung der Lohnunterschiede im UK-Report basiert auf einem Durchschnitt über alle Ränge und Rollen und reflektiert, dass es analog zu vielen anderen Firmen mehr Männer in höheren Positionen gibt. Dies führt automatisch zu Lohnunterschieden, bedeutet aber nicht, dass Männer und Frauen in derselben Rolle unterschiedlich bezahlt werden. Die UBS legt grossen Wert darauf, dass niemand aufgrund seines Geschlechts lohnmässig diskriminiert wird.»
Riesige Unterschiede bei Boni
Meier gibt der UBS recht, verweist aber darauf, dass Diskriminierung nicht nur bei den Löhnen stattfinde. «Diskriminieren kann man bei der Einstellung, bei der Beschäftigung und somit Lohnfindung, bei der Beförderung und bei der Entlassung. Und irgendwo dort werden die Frauen mit Sicherheit benachteiligt.»
Diskriminieren kann man bei der Einstellung, bei der Beschäftigung, bei der Beförderung und bei der Entlassung. Und irgendwo dort werden die Frauen mit Sicherheit benachteiligt.
Ähnliche Schlüsse aus der britischen Datenerhebung zieht Regula Bühlmann, Spezialistin für Gleichstellung beim Gewerkschaftsbund. «Wir werden bestätigt, dass ein Problem vorhanden ist. Das zeigen auch die Unterschiede zwischen den Boni von Männern und jenen von Frauen. Sie sind riesig.»
Die Männer-Boni sind bis zu 80 Prozent höher als jene von Frauen. Gerade bei Boni gebe es einen grossen Verhandlungsspielraum, erklärt Bühlmann, und Leistungen von Frauen würden oft schlechter bewertet.
Männer werden im Voraus befördert
Dass Frauen mehr beweisen müssen, um Boni zu erhalten oder befördert zu werden, bestätigt auch Allyson Zimmerman von Catalyst, einem Beratungsunternehmen für Gleichstellungsfragen. «Wir wissen von Studien, dass Frauen erst befördert werden oder mehr Lohn erhalten, wenn sie über längere Zeit gezeigt haben, was sie leisten können. Während Männer mehr Lohn oder Beförderung schon im Voraus erhalten – bevor sie liefern», sagt Zimmerman.
Frauen werden erst befördert, wenn sie über längere Zeit gezeigt haben, was sie leisten können. Während Männer Beförderung schon zum Voraus erhalten.
Selbst wenn die umfangreiche Lohnerhebung in Grossbritannien nicht direkt etwas darüber aussage, ob Frauen für die gleiche Arbeit weniger Lohn erhielten, sei sie wichtig. Sie bringe eine entscheidende Frage ins Bewusstsein der Öffentlichkeit, so Zimmerman: «Wieso ist das so? Wieso verdienen Frauen weniger als Männer? Es könnte auch Lohndiskriminierung vorliegen – wir wissen es nicht.»
Frauen bleiben in unteren Etagen stecken
Jedenfalls sagen die Daten aus Grossbritannien viel darüber aus, wo Frauen in Unternehmen stecken bleiben, nämlich in den unteren Etagen, wo tiefere Löhne bezahlt werden. «Es ist sicher der Fall, dass Frauen weniger gefördert werden und den Kopf schneller an der gläsernen Decke anstossen. Aber es ist auch ein gesellschaftliches Ungleichgewicht, dass Frauen mehr Familienpflichten übernehmen und deshalb wahrscheinlich auch gewisse Stellen nicht wählen», stellt Bühlmann fest.
Frauen übernehmen mehr Familienpflichten und wählen deshalb wahrscheinlich auch gewisse Stellen nicht.
In dem Report gibt es übrigens auch Lichtblicke, was Schweizer Firmen angeht: So zahlt der Personalvermittler Adecco Frauen im Mittel gar etwas mehr als Männern. Auch Richemont kommt gut weg. Bei Nestlé, Novartis und Roche liegen die Lohndifferenzen immerhin nur im einstelligen Prozentbereich – zu Ungunsten der Frauen.