Die Credit Suisse geriet im Jahr 2022 immer bedrohlicher in Schieflage. Die Schweizer Behörden diskutierten verschiedene Lösungsszenarien für die Bewältigung der Krise, wie aus dem heute veröffentlichten PUK-Bericht hervorgeht. Zwischen Herbst 2022 und März 2023 wurden folgende Szenarien analysiert und teilweise vorbereitet:
1. Bewältigung der Krise durch die CS aus eigener Kraft
Bei einer Bewältigung aus eigener Kraft hätte die CS die Möglichkeit gehabt, die bereits im Gesetz vorhandene ausserordentliche Liquiditätshilfe (Emergency Liquidity Assistance) oder die erst per Notrecht geschaffene ELA+ in Anspruch zu nehmen. Dieses Szenario wurde von den Behörden lange Zeit favorisiert, denn sie hatten Bedenken, zu schnell einzugreifen. Erst am 15. März 2023 gelangten sie laut PUK-Bericht zum Schluss, dass diese Lösung definitiv nicht mehr realistisch war.
2. Übernahme der Credit Suisse durch eine andere Bank
Dieses Szenario sah die folgenden zwei Varianten vor: Die Übernahme der CS durch eine Schweizer oder durch eine ausländische Bank. Dabei wurden Liquiditätsspritzen wie ELA, ELA+ oder Public Liquidity Backstop (PLB) erwogen. Dies setzte die Anwendung von Notrecht bei ELA+ und PLB sowie die Abschreibung der AT1-Anleihen voraus. Die Übernahme durch eine ausländische Bank wurde zwar diskutiert. Eine solche Transaktion wäre aufgrund des grenzüberschreitenden Charakters aber von sehr hoher Komplexität gewesen und hätte sowohl beim Vorlauf als auch bei der Umsetzung höchstwahrscheinlich mehr Zeit benötigt, heisst es im PUK-Bericht. Die Behörden entschieden sich am Krisenwochenende dafür, die Fusion mit der UBS weiterzuverfolgen.
3. Sanierung der Bank und Kapitalmassnahmen
Dieses Szenario sah vor, dass die CS gemäss dem Sanierungsplan der Finma abgewickelt wird. Dieses Instrument ist in der «Too-Big-To-Fail»-Gesetzgebung (TBTF) vorgesehen. Die Aktien und das AT1-Kapital wären abgeschrieben worden, was einen Totalverlust für die Aktionäre und Anleihengläubiger bedeutet hätte. Die Finma hätte im Rahmen eines Sanierungsverfahrens eine Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital sowie die Reduktion von Forderungen angeordnet, womit die CS wieder rekapitalisiert worden wäre. Diese Massnahme wurde bereits zu Beginn der Überlegungen eingebracht und erörtert.
4. Konkurs der Bank und Auslösung des Notfallplans
Dieses Szenario sah vor, dass der Konkurs über die CS eröffnet wird. Durch die im Gesetz vorgesehene Auslösung des Notfallplans wären die systemrelevanten Funktionen in der Schweiz weiterbetrieben worden. Dieses Szenario wurde erst ab November 2022 diskutiert. Als Variante wurde eine vorübergehende Verstaatlichung genannt, bis eine private Lösung für die Schweizer Einheit der Bank gefunden wurde. Obwohl dies kein klassisches Instrument der TBTF-Gesetzgebung ist, hatten die Behörden bereits 2020 erste Überlegungen dazu gemacht. Diese Variante ist nicht zu verwechseln mit der Verstaatlichung der gesamten Credit Suisse Group.
5. (Vorübergehende) Verstaatlichung der CS
Dieses Szenario sah vor, dass der Bund im Rahmen einer Verstaatlichung die gesamte Credit Suisse Group vorübergehend übernimmt. Bei diesem Szenario, das erst ab März 2023 diskutiert wurde, wäre für mehrere Aspekte die Anwendung von Notrecht notwendig gewesen: ELA+, PLB, Schaffung einer Rechtsgrundlage für die Übernahme durch den Bund und die Enteignung der Aktionäre. Dieses Szenario hätte ebenfalls eine Abschreibung der AT1-Anleihen zur Folge gehabt.