Griechenland hat ein Luxusproblem: Für das nächste Jahr budgetiert das Land einen Gewinn von über 13.5 Milliarden Euro. Das ist mehr als doppelt so viel, wie ursprünglich vorgesehen. Der Grund: Die Wirtschaft des Landes im Südosten der EU läuft rund. Griechenlands Wirtschaft soll im nächsten Jahr um 2.3 Prozent wachsen – das ist mehr als doppelt so viel wie der EU-Durchschnitt. Wasiliki Goutziomitros, Griechenland-Expertin bei SRF, erklärt, wie das Land wieder zurück zum Erfolg gefunden hat.
Wie ist aus dem einstigen Sorgenkind Griechenland ein Vorbild geworden?
Griechenland hat in den letzten Jahren stark an seinem Image gearbeitet, um wieder ein vertrauenswürdiger Partner, ein vertrauenswürdiger Ort für Investitionen zu sein. Investitionen im Immobiliensektor haben viel internationales Geld ins Land gespült. Im Tourismus spricht man wieder von einem Rekordjahr: 35 Millionen Besucherinnen und Besucher sollen bis Ende 2024 gezählt werden.
Welche politischen Reformen haben den Wirtschaftsboom ermöglicht?
Die Digitalisierung hat dazu beigetragen, dass der aufgeblähte Beamtenapparat ein bisschen effizienter geworden ist. Zudem hat man die Digitalisierung auch beim Bezahlwesen eingeführt. Mittlerweile kann man überall, an jedem Kiosk oder in jeder Bäckerei, mit der Karte bezahlen. Die Ladenbetreiber sind verpflichtet, einem die Quittung mitzugeben, weil die Steuerbehörden jetzt rigoros kontrollieren. Man versucht, mit solchen alltäglichen Massnahmen das Problem der Steuerhinterziehung anzugehen. In diesem Jahr sollen die Massnahmen gegen die Steuerhinterziehung 1,8 Milliarden in die Staatskassen gespült haben.
Fliesst wieder mehr Kapital aus dem Ausland in die Wirtschaft?
Die Ratingagenturen haben Griechenland wieder eine bessere Bewertung gegeben. Das heisst, es haben sich dementsprechend auch internationale Firmen in Griechenland niedergelassen. Google oder Microsoft haben beispielsweise Büros eröffnet.
Für den Aufwärtskurs verantwortlich ist der konservative Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis. Wie kommt seine Politik in der Bevölkerung an?
Seine Politik kommt im Grossen und Ganzen gut an. Das hat sich bei den Wahlen gezeigt: Mitsotakis hat eine zweite Amtszeit bekommen. Er wird aber nicht überall als Heilsbringer gefeiert. Griechenland geht es zwar viel besser als noch vor ein paar Jahren. Aber es geht eben nicht allen Griechinnen und Griechen viel besser als noch vor ein paar Jahren.
Wie spürt die Bevölkerung den wirtschaftlichen Aufschwung?
Jeder Einzelne merkt, dass sich die Politik und die Wirtschaft stabilisiert haben. Der Mindestlohn wurde von 780 auf 850 Euro pro Monat angehoben. Nächstes Jahr sollen es 950 Euro sein. Das sind kleine Schritte in die richtige Richtung.
Was braucht es, damit alle Menschen vom Wirtschaftsboom profitieren?
Die Inflation ist ein Problem. Die Preise für Mieten, für Lebensmittel oder für Benzin sind sehr hoch. Ein weiteres Problem ist die Bürokratie, der Staatsapparat ist ineffizient. Dazu kommt die schwierige Lage bei der Rechtssicherheit. Prozesse können Jahre, sogar Jahrzehnte dauern, das gibt natürlich keine Planungssicherheit für Unternehmen.