Lagardes Prognosen für 2016 in Kürze:
- Chinas Umbau von einer Export- zu einer Binnenwirtschaft birgt Risiken und wird das Wachstum verlangsamen.
- Die globale sowie auch Europas Wirtschaft wird sich leicht erholen.
- Die Flüchtlingskrise wird Europa Vorteile bringen, sofern es der Kontinent schafft, die Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt zu integrieren.
- Ein grosses Risiko für Europa ist der «Brexit».
- Der Klimavertrag von Paris könnte die Weltwirtschaft ankurbeln.
- Sorgen bereiten die fallenden Rohstoffpreise, insbesondere der Preiszerfall beim Rohöl.
Das globale Wachstum werde voraussichtlich 3,4 Prozent sowie im kommenden Jahr 3,7 Prozent betragen. Dies sagte die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, in der abschliessenden Debattenrunde des Weltwirtschaftsforums (WEF) zu den globalen Perspektiven. «Das ist bescheiden, aber es ist gegenüber den 3,1 Prozent im Jahr 2015 immerhin eine Steigerung.»
Die Französin wies auf mehrere grosse Gefahren hin. Weit vorn stehen dabei die Risiken durch den Umbau in China von einer exportgetriebenen zu einer vor allem auf Binnennachfrage und Konsum basierenden Volkswirtschaft. China werde keine «harte Landung» erleben, sondern einen relativ gut kontrollierten Übergang schaffen, sagte sie. Sorgen bereiten Lagarde die fallenden Rohstoffpreise, insbesondere der Preiszerfall beim Rohöl.
«Klappt die Integration, wird Europa profitieren»
Für die Wirtschaftsentwicklung in Europa konstatierte Lagarde eine leichte Erholung. Die Flüchtlingskrise sehe sie nicht nur als Risiko, sondern auch als Chance. «Wenn die Integration der Menschen funktioniert, kann dies mittelfristig sogar ein Vorteil sein.»
Für Länder wie Deutschland oder Schweden könne eine gut gemanagte Aufnahme und Integration durchaus ein Wachstumsfaktor sein. Die Wirtschaft in Europa habe sich verglichen mit der Lage Anfang 2015 etwas erholt, der IWF rechne mit einem Wachstum von 1,5 Prozent.
Als grosses Risiko für Europa bezeichnete Lagarde die Gefahr eines EU-Austritts Grossbritanniens. Sie hoffe, dass es zu einer Einigung zwischen Grossbritannien und den anderen EU-Mitgliedern komme.
Grossbritannien macht Druck auf EU
Der britische Finanzministers George Osborne erklärte, die Mehrheit der Briten würde gegen den «Brexit» stimmen, sollte die EU-Mitglieder bei Verhandlungen in Brüssel im Februar britischen Reformforderungen nachkommen. Grossbritannien will unter anderem die Einwanderung auch aus Ländern der EU begrenzen und deshalb EU-Migranten Sozialleistungen erst nach vier Jahren zahlen.
Dies ist in der Union umstritten und wird von einigen Mitgliedern abgelehnt.
Osborne verwies auf das Erstarken rechtspopulistischer Parteien in Europa. Regierungen müssten sich der Sorgen der Bevölkerung annehmen. «Im Vereinigten Königreich, und nicht nur bei uns, ist man besorgt angesichts des Zuwanderungsdrucks», sagte Osborne. «Wir bleiben deshalb dabei, dass wir sagen, man darf nach Grossbritannien reisen und dort arbeiten, aber man darf nicht sofort unsere Sozialleistungen beanspruchen.»