Lange standen die Vorteile des Freihandels im Fokus der öffentlichen Diskussion. Doch in den letzten Jahren hat der Wind gedreht: Das Ideal der Globalisierung kommt von vielen Seiten unter Druck.
Statt Handelschancen für Firmen und günstigere Produkte für Konsumentinnen und Konsumenten ist mehr von den Schattenseiten der Globalisierung die Rede, von Arbeitsplatzverlust, wirtschaftlicher Abhängigkeit und Verwundbarkeit durch Konflikte. Zuletzt haben der Ukrainekrieg und die westlichen Sanktionen gegen Russland den Globalisierungsgedanken erschüttert.
Wirtschaftliche Blockbildung auf dem Vormarsch?
May-Britt Stumbaum ist Professorin für Sicherheitsstudien am George-C.-Marshall-Zentrum im deutschen Garmisch. Noch gäbe es keine Blockbildung, doch Tendenzen dazu: «Auf der einen Seite sind die Staaten, die die regelbasierte Weltordnung aufrechterhalten wollen. Auf der anderen Seite diejenigen Staaten, die die Weltordnung gern autoritärer gestalten möchten, letztendlich damit sie nicht mit Sanktionen belegt werden können», so Stumbaum. Dazwischen versuchten sich mittelgrosse Mächte wie Indien vieles offenzuhalten und sich zu etablieren.
Die Länder beginnen, vornehmlich mit befreundeten Ländern Handel zu treiben.
Auch David Dorn, Professor für Globalisierung und Arbeitsmarktökonomie an der Universität Zürich, beobachtet eine zunehmende Blockbildung. «Was sich jetzt auch ganz klar als Folge der Sanktionen und befürchteten weiteren Konfliktherden zeigt, ist, dass die Länder beginnen, vornehmlich mit befreundeten Ländern Handel zu treiben, während der Handel mit ideologisch weniger nahen Staaten tendenziell zurückgeht.»
Konfrontation zwischen den USA und China
In den USA, einst das Land des Freihandels, ist derselbe lange nicht mehr so beliebt wie früher. Seit Anfang der 2000er Jahre verlagerten grosse Teile der amerikanischen Textil- und Elektronik-Branche ihre Produktion nach China – rund zwei Millionen Arbeitsplätze gingen wegen chinesischer Importe seither in den USA verloren. David Dorn hat sich in mehreren Studien mit diesem Phänomen und seinen politischen Konsequenzen beschäftigt.
So zeigt er, dass die Verschiebung von Industrie-Arbeitsplätzen von den USA nach China die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten begünstigte. Die Zölle, die im Zuge dessen Präsidentschaft eingeführt wurden, konnten die Arbeitsplätze aber nicht wieder zurückholen, auch dies zeigt Dorn in seiner Forschung.
Auf politischer Ebene hat sich das Verhältnis zwischen den USA und China, den beiden grössten Volkswirtschaften der Welt, seit der US-Präsidentschaft von Donald Trump keineswegs normalisiert. Unter US-Präsident Biden wurden zusätzliche Exportbeschränkungen für Computer-Chips eingeführt. Zuletzt sanken die Importe von China in die USA.
Insbesondere im Fall eines möglichen künftigen Konflikts um Taiwan könnte es zu einer weiteren Eskalation kommen. Ein solcher würde noch weit grössere wirtschaftliche Konsequenzen nach sich ziehen als der Ukrainekrieg, sind sich Dorn und Stumbaum einig.
Was heisst das für die Schweiz?
Für die Schweiz als kleine offene Volkswirtschaft, die auf den Zugang zu internationalen Märkten angewiesen ist, sind das keine rosigen Aussichten. «Die Hoffnung für die Schweiz ist, dass die Welt genügend friedlich bleibt, dass man mit vielen Staaten einigermassen friedlich und freundschaftlich verkehren kann», bilanziert Wirtschaftsprofessor Dorn.