Der Schweizer Hörgerätehersteller Sonova hat ein neues Produkt lanciert. Die Neuheit: Mithilfe künstlicher Intelligenz schafft es das Hörgerät, Umgebungsgeräusche besser herauszufiltern als bisherige Hörgeräte. Hannes Wüthrich, Ingenieur in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung bei Sonova, erklärt: «Die Sprachverständlichkeit in komplexen Situationen mit viel Umgebungslärm wie beispielsweise in Restaurants wird nochmals deutlich verbessert.»
Laut dem Konzernchef Arnd Kaldowski ist dieser technologische Schritt der grösste seit 15 Jahren und damit ein Meilenstein in der besseren Sprachverständlichkeit.
Alle zwei Jahre eine Innovation
Innovativ zu sein, sei in der Branche unverzichtbar, sagt die Vontobel-Analystin Sibylle Bischofberger. Daher würden Hörgerätehersteller normalerweise alle zwei Jahre ein neues Produkt mit neuen Technologien und Verbesserungen lancieren. «Die Hersteller müssen das beste und innovativste Gerät auf den Markt bringen, um langfristig erfolgreich zu bleiben. Sonst verlieren sie Marktanteile und verschwinden letztlich vom Markt.»
Leistungsfähigere Hörgeräte könnten auch neue Kundschaft anlocken. Das weltweite Potenzial an neuen Kundinnen und Kunden ist längst nicht ausgeschöpft.
Gemäss der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind insgesamt 1.5 Milliarden Menschen von einem gewissen Grad an Hörverlust betroffen. Bis 2050 könnten es bis zu 2.5 Milliarden werden. Davon leiden heute 430 Millionen Menschen unter mittlerem bis starkem Hörverlust. Bis 2050 schätzt die WHO, dass die Zahl auf über 700 Millionen Menschen steigen wird.
Vor allem Ältere betroffen
In der Schweiz sind über neun Prozent der Bevölkerung von einer Hörbeeinträchtigung betroffen. Ein Hörgerät trägt hierzulande allerdings nur knapp die Hälfte davon.
Schwerhörigkeit ist in den meisten Fällen eine Alterskrankheit. Die Mehrheit der Betroffenen ist über 65 Jahre alt. Dabei leiden Männer häufiger unter einer Hörbeeinträchtigung.
Die tiefe Rate an Hörgeräteträgerinnen und Hörgeräteträgern ist für den Hörakustiker Simon Blättler nicht überraschend: «Gerade unser jüngeres Kundensegment hat noch ein bisschen das Stigma im Kopf, dass man mit einem Hörgerät alt ist und geniert sich eher ein bisschen.»
Die Vontobel-Analystin Sibylle Bischofberger ergänzt, dass es sich zusätzlich um ein teures Medizinalprodukt handle, welches mehrere tausend Franken kosten könne.
Zusatzfunktionen wie Musik hören, Telefonieren oder Streamen via Hörgerät könnten das Thema jedoch für die breitere Masse zugänglich machen, sagt der Hörakustiker Simon Blättler. «Mit den ganzen modernen Funktionen ist ein Hörgerät mittlerweile eine lässige Kommunikationslösung statt einfach nur eine Hilfe, um ein bisschen besser zu hören.»
Kein Lifestyle-Produkt
Auf die neue Generation Hörgeräteträgerinnen und -träger – die Babyboomer – setzt auch Sonova. Zu den Babyboomern sagt der Konzernchef Arnd Kaldowski: «Sie sind einerseits technologieaffiner, andererseits stehen sie noch sehr aktiv im Leben und wollen dabei in jeder Situation gut hören können.»
Dennoch bezweifelt Simon Blättler, dass sich das Hörgerät zu einem Lifestyle-Produkt wie etwa die Brille entwickeln wird. Beim Sprung von einer einfachen Hörhilfe zu einem modernen technischen Gadget sei man jedoch auf einem guten Weg.