SRF News: Wäre eine Privatisierung gut für die Swisscom so wie es die OECD erst kürzlich gefordert hat?
Andreas Müller: Nein nicht unbedingt. Bisher hat die Swisscom gezeigt, dass sie als halbstaatliches Unternehmen gut im Markt operiert und auch als innovatives Unternehmen aufgefallen ist. Der Bund als Mehrheitsaktionär lässt der Swisscom die nötige unternehmerische Freiheit, die der Konzern braucht.
Der Bund agiert einerseits als Regulator, andererseits als Besitzer in der Telekombranche. Schadet das nicht dem Markt?
Die Regulierung in der Schweiz erscheint mir vernünftig. Mobile-Kunden zum Beispiel zahlen im internationalen Vergleich zwar mehr, haben aber auch den guten Service. Nicht viele Länder haben ein so schnelles und stabiles Netz wie die Schweiz. Zudem sind die Preise kaufkraftbereinigt nicht mehr ganz so hoch wie sie auf den ersten Blick scheinen.
Aber Mobile-Kunden zahlen eigentlich zu viel.
Wir haben immer noch die Roaminggebühren, die innerhalb der EU wegfallen werden. Zu einem Teil werden die auch von den ausländischen Anbietern in Rechnung gestellt, weil die Schweiz nicht Teil der EU ist. Aber der Trend geht klar in Richtung Senkung der Roaminggebühren, in gewissen Abos ist er jetzt schon inklusive.
Nützt die Swisscom als ehemalige Monopolistin ihre Marktmacht aus?
Der Konzern hat Grössenvorteile, muss aber doch den relativ kleinen Schweizer Markt mit drei andern Bewerbern teilen, kann die Kosten also nicht auf wahnsinnig viele Kunden abwälzen. Wenn ich mir aber die Klagen der anderen Wettbewerber anschaue, muss ich sagen, dass ich die Swisscom verstehe, die sagt, sie kann neuen Marktteilnehmern nicht zu unrentablen Bedingungen eine Infrastruktur zur Verfügung stellen, die sie aufgebaut hat.
Werden die Konflikte weniger mit der Zeit, weil die Mitwerber immer weniger zu Trittbrettfahrern werden?
Neue Wettbewerber werden es wohl in der Schweiz aufgrund der Marktgrösse und des funktionierenden Wettbewerbs immer schwierig haben. Das liegt am System. In der Schweiz lässt man den Wettbewerb spielen und die Behörden reagieren erst, wenn ein Konkurrent klagt. In der EU ist das System umgekehrt: Die Roaminggebühren werden auf Null gesenkt, ohne dass die Firmen etwas zu sagen hätten. Wenn man aber die Preise derart reduziert wie die EU, haben die Firmen wenig Interesse an neuen Investitionen, wie an einem Ausbau des Netzes.
Die Swisscom mischt im Moment in sehr vielen Branchen mit. Ist da die Gefahr einer Verzettelung nicht zu gross?
Ich sehe die Verzettelung nicht. Es macht für die Swisscom durchaus Sinn, neben den Kommunikations-Dienstleistungen den IT-Bereich auszubauen, wo sie ihr Knowhow jetzt schon hat. Im Kommunikations-Markt kann man künftig nicht mehr Gewinne rausholen als heute. Darum sind für die Swisscom jene Bereiche so interessant, in denen sich IT-Dienstleistungen mit der Kommunikation überschneiden.
Ein riesiges Gebiet. Wo sind die interessantesten Felder?
Denken Sie etwa an die Finanzbranche, die die Kundenkontakte übers Netz verbessern möchte und gleichzeitig Sicherheit bieten möchte. Im Gesundheitswesen tut sich mit den elektronischen Patientendossiers, die schnell und sicher übermittelt werden müssen, ein riesiges Feld auf. Auch im Energiebereich geht es immer mehr um einen optimalen Austausch zwischen Energienachfrage und -Angebot, da immer mehr kleine z.B. Solarstrom-Anbieter im Markt sind. Oder auch im Werbemarkt, der zielgruppengerechter werden muss.
Swisscom tritt damit in einigen Bereichen gegen Google und Co. an. Hat sie da überhaupt eine Chance?
Es wird wahrscheinlich schwierig werden, es ist aber sicher ein Versuch wert. Nehmen wir den Werbebereich, wo sich die Swisscom, die SRG und Ringier zusammenschliessen wollen. Schon jetzt fliesst die Hälfte des digitalen Werbekuchens an US-Firmen wie Google ab, weil der Konzern etwa auf Youtube personalisierte Werbung anbieten kann. Wenn Firmen in der Schweiz ihre Kräfte nicht bündeln, werden sie im Werbemarkt überrollt werden. Die Kombination von Ringier, SRG und Swisscom macht Sinn, weil jeder sein spezifisches Knowhow einbringen kann.
Kleinere Medien-Firmen fühlen sich von den halbstaatlichen Unternehmen an die Wand gedrückt.
Es ist kein exklusiver Club. Die Dienstleistungen stehen allen offen.
Welches sind für die Swisscom künftig die grössten Herausforderungen?
Im Bereich der Fachkräfte ist die Schweiz zwar gut aufgestellt, aber der Kampf um die hellen Köpfe wird sich verstärken. Zudem gibt es neben den grossen Konkurrenten wie Google, Facebook oder Amazon auch viele neue Geschäftsmodelle wie beispielsweise Whatsapp, die von der Seite mit Innovationen reindrängen und bei Erfolg meistens von den grossen IT-Firmen gekauft werden. Modelle wie Whatsapp haben etwa das SMS-Geschäft der Telekomanbieter praktisch zu Fall gebracht. Die Swisscom muss daher hochagil bleiben, will sie im Markt bestehen.
Das Gespräch führte Christa Gall.