Vor einem Jahr gab es viele verärgerte Stimmen aus der Wirtschaft. Heute ist von Ärger oder Nervosität keine Rede mehr. «Ich glaube, die meisten Firmen arbeiten pragmatisch an der Umsetzung der Initiative», sagt der Präsident des schweizerischen Arbeitgeberverbandes, Valentin Vogt. Konkret müssen die Firmen ihre Statuten anpassen.
In Zukunft sollen die Aktionäre jeden einzelnen Verwaltungsrat, den Präsidenten sowie den Vergütungsausschuss jährlich wählen. Die Anzahl Mandate der Geschäftsleitung und der Verwaltungsräte muss beschränkt werden und über die Löhne der beiden Führungsgremien richten ebenso die Aktionäre.
Löhne sinken
Einen Trend in die richtige Richtung sieht Gregor Greber, CEO des Stimmrechtsberaters und unabhängigen Vermögensverwalters zCapital, bei den Löhnen: «Verschiedene Firmen passen die Vergütungen nach unten an. Und ich glaube, dass diese Entwicklung noch weiter gehen wird.»
Noch unklar ist, ob die Aktionäre den Lohn und die Boni im Voraus oder im Nachhinein bestimmen sollen. Im ersten Fall würden die Aktionäre an der Generalversammlung zu Beginn eines Geschäftsjahres über Löhne und Boni bestimmen. Im anderen Fall erst danach, wenn die Zahlen bekannt sind.
Bei den Fixlöhnen mache es Sinn, im Voraus zu entschieden, sagt Greber. «So ist das Verhältnis Leistung gegen Lohn klar.» Anders bei den Boni: «Die Boni sollten vom Geschäftsgang abhängig sein und somit nicht schon zu Beginn eines Jahres feststehen», sagt Greber. Wahrscheinlich laufe es aber auf eine Mischlösung hinaus. Die Boni würden im Voraus festgelegt. Und im Nachhinein könnten die Aktionäre dann nochmals über die definitven Zahlungen abstimmen.
Schauen, was die Grossen machen
Bisher haben nur wenige Firmen ihre Statuten angepasst. Viele wollen die Aktionärsabstimmung über die Löhne der Chefs erst 2015 regeln. Besonders bei kleineren Unternehmen mache Abwarten Sinn, sagt Valentin Vogt vom Arbeitgeberverband. «Kleine Firmen schauen jetzt, was die Grossen machen. Sie können aus den Erfahrungen lernen und es ist günstiger für sie.»
Unter Verwaltungsräten heftig diskutiert wird derzeit die Anzahl Verwaltungsratsmandate. In Zukunft soll sie begrenzt sein. Zudem ist unklar, was als Mandat gelten soll. Denn viele Verwaltungsräte sind auch in Stiftungen oder Vereinen, die im Handelsregister eingetragen sind, aktiv.
Ruedi Huber ist Profi-Verwaltungsrat und sitzt in mehreren Firmen. «Ob solche Mandate für gemeinnützige Organisationen gleich behandelt werden sollen wie VR-Mandate bei börsenkotierten Firmen, darüber wird heftig diskutiert», sagt er.
«20 Mandate sind zu viel»
Einige Firmen erlauben ihren Verwaltungsräten noch immer, bis zu 20 Mandate gleichzeitig auszuüben. «Das sind definitiv zu viele, da muss in Zukunft noch etwas geschehen», sagt Gregor Greber von zCapital.
Es zeichnet sich ab, dass zwischen börsenkotierten und nicht börsenkotierten Unternehmen unterschieden wird. Die Zahl der Mandate bei börsenkotierten dürfte sich auf höchstens fünf beschränken. Bei den restlichen Posten dürften sich viele Unternehmen für eine grosszügigere Variante entscheiden.
Die Umsetzung der Minder-Initiative schreitet also voran. Doch ob diese Veränderungen schlussendlich auch die Aktionärsdemokratie stärken, ist keineswegs sicher. Denn noch immer ist die Macht unter den Aktionären ungleich verteilt. Ein Mittel dazu sind die Stimmrechtsaktien. Über diese Papiere können sich Aktionäre mehr Stimmrechte sichern, als ihnen eigentlich zu stehen würde. Gregor Greber: «Über 40 Prozent der Firmen schaffen über solche Regelungen Ungleichgewichte in ihrem Aktionariat. Dieser Mangel besteht noch immer.»