Über Nacht wurde Glencore-Chef Ivan Glasenberg zum mehrfachen Milliardär. Als der Rohstoffgigant im Mai 2011 an die Börse ging, rieb sich auch das Rüschliker Steueramt die Hände.
360 Millionen Franken: Soviel Steuern zahlte zu einem grossen Teil der Chef des Rohstoffgiganten Glencore Xstrata in Rüschlikon (ZH). Dank dem Finanzausgleich wurden 165 Millionen Franken Mehreinnahmen an andere Zürcher Gemeinden und einen grossen Rest an den Kanton umverteilt.
In den Zürcher Gemeinden, die von den Gewinnen von Glencore-CEO Glasenberg profitieren, regte sich jedoch Widerstand. Spenden-Initiativen wurden lanciert. Dem Rohwarenkonzern werden problematische Geschäftspraktiken vorgeworfen: In der Demokratischen Republik Kongo-Kinshasa, Sambia, Kolumbien oder Bolivien soll das Unternehmen laut den Initianten Menschenrechte und Umweltschutzgesetze verletzen sowie kaum Steuern bezahlen.
Ivan Glasenberg nimmt nun erstmals selber zu der ganzen Diskussion Stellung. «Ich hoffe nicht, dass sie es zurückgeben, weil sie denken, Glencore hätte etwas Unrechtes getan in diesen Ländern. Glencore hat nichts Unrechtes getan», sagt er in einem exklusiven DOK-Interview.
Rohstofffirmen mächtiger als viele Regierungen
Glencore Xstrata ist die grösste, aber längst nicht die einzige grosse Rohstoff-Firma in der Schweiz. Über den Kanton Genf läuft rund ein Drittel des weltweiten Rohöl-Handels. Bei Agrarrohstoffen, wie Weizen oder Soja, ist es rund die Hälfte.
Die 10 grössten Schweizer Rohstoffunternehmen (im Ranking der grössten Schweizer Konzerne 2012; vor der Fusion von Glencore Xstrata)
Der steigende Hunger nach Rohstoffen – von Kohle, Erdöl, Metallen, bis zu Weizen oder Soja – produziert jedoch auch Verlierer. Viele Rohstoffe werden in Entwicklungsländern gefördert, in denen es kaum demokratische Kontrollen gibt und Korruption zum Alltag gehört.
Die Rohstofffirmen seien mächtiger als viele Regierungen, kritisiert deshalb der ehemalige Chefökonom der UNO-Handelsorganisation UNCTAD, Heiner Flassbeck: «Bisher gibt es von den grossen westlichen Ländern keine grosse Bereitschaft hier regulierend einzugreifen, weil wir hier auch ein mangelndes Bewusstsein haben.»
Gefahr von Ressourcen Nationalismus
Die zentrale Frage hinter dem wirtschaftspolitischen Konflikt: Wieviel sollen die Ländern aus denen Rohstoffe gefördert werden, selber profitieren? Welchen Anteil soll die Firma erhalten, welche die Rohstoffe verkauft? Eine Debatte, die in naher Zukunft eine immer wichtigere Rolle spielen könnte, meint Marco Dunand, CEO und Mitgründer der Genfer Energiehandelsfirma Mercuria.
Er spricht von der Gefahr des zunehmenden Ressourcen-Nationalismus: «Die Menschen in den Ländern, in welchen Rohstoffe abgebaut werden, sehen, dass der Reichtum nicht mit allen geteilt wird. Es ist normal, dass die lokale Bevölkerung mit dieser Entwicklung nicht zufrieden ist.»
Ivan Glasenberg, der Mann, der die Strategie von Glencore seit 2002 entscheidend mitgeprägt hat, sieht die Gefahr weniger gross, denn die betroffenen Länder seien stark von ausländischen Investoren abhängig, Firmen wie Glencore Xstrata also. Stellten Länder zu starke Forderungen, wollen sie also zu hohe Steuern oder Abgaben, würden sie diese Investoren verlieren. Von aussen her unklar ist, wie viel Steuern die Firmen tatsächlich heute schon in allen Ländern bezahlen.
Glencore Xstrata muss aufgrund einer neuen EU-Regelung wie alle anderen Rohstofffirmen im Jahr 2016 für das Jahr 2015 detailliert Auskünfte geben über die Steuerzahlungen in den einzelnen Ländern, also auch in der Schweiz. Heute werden Steuerausgaben in ausgewählten Ländern und Regionen bekanntgegeben.