SRF News: Wieso ist es ihrer Meinung nach keine gute Idee, Bargeld abzuschaffen?
Dirk Niepelt: Die Kosten hätten ein erhebliches Gewicht – auch wenn zurzeit vor allem über die Vorteile einer Abschaffung von Bargeld diskutiert wird. Die Kosten entstehen dann, wenn man ein für allemal die Option aufgibt, im Interesse der Privatsphäre Bargeld nutzen zu können. Auch wenn dies meist kaum eine Rolle spielt, so ist es doch wichtig, dass man auf die Option der Bargeldzahlung zurückkommen kann.
Sie befinden sich in London. Dort findet eine Konferenz zur Zukunft des Bargelds statt. Wie ist der Tenor: für oder gegen Bargeld?
Bei der Diskussion geht es nicht primär darum, ob Bargeld gut oder schlecht ist. Man macht sich hier Gedanken darüber, wie man die Nullzins-Grenze, unter der die Zentralbanken weltweit leiden, lockern könnte. Die Schweiz hat diese Grenze mit den Negativzinsen der SNB bereits ein Stück weit umgangen.
Hier wundert man sich, wie das in diesem Ausmass überhaupt möglich ist. Trotzdem möchte man die Zinsen noch weiter senken können, um die Konjunktur zu stimulieren. Vor diesem Hintergrund überlegt man sich, welche Massnahmen nötig wären, um dies zu ermöglichen.
Denn momentan ist das nicht möglich, ohne befürchten zu müssen, dass die Kunden ihr Geld von den Banken abziehen. Die Befürworter der Abschaffung des Bargeldes sagen nun, die Vorteile eines solchen Vorgehens müssten schon sehr gross sein, damit man auch die erwähnten Kosten in Kauf nehmen würde. Die Befürworter der Abschaffung des Bargeldes sagen ausserdem, dass Bargeld eigentlich nur einen sehr beschränkten Nutzen habe. Der grösste Vorteil von Bargeld sei, dass damit Steuern hinterzogen werden könnten sowie kriminelle Machenschaften erleichtert würden.
Einige sagen: Bargeld nützt vor allem Steuerhinterziehern und Kriminellen.
Wie gross ist denn derzeit die Gefahr, dass die Sparer ihr Geld tatsächlich bei der Bank abholen und irgendwo in bar horten?
Die Schätzungen darüber, wie viel die Aufbewahrung von Geld in bar kostet, gehen von etwa 0,5 bis 0,75 Prozent aus. Dies entspricht in etwa dem von der SNB eingeführten Negativzins. Die Lehre geht deshalb davon aus, dass man die Zinsen ohne flankierende Massnahmen nicht noch wesentlich stärker senken kann.
Ist denn in Ihren Augen die Abschaffung des Bargeldes eine mögliche Lösung?
Wenn man die Zinsen noch mehr in den negativen Bereich senken will, ist das technisch gesehen eine mögliche Lösung. Es gibt aber auch elegantere Möglichkeiten, als das Bargeld abzuschaffen. Das übergeordnete Ziel müsste darin bestehen, die Bargeldhaltung genauso lukrativ sein zu lassen wie das Halten von elektronischem Geld.
Wenn also die SNB beispielsweise einen Negativzins von zwei Prozent auf den Giroguthaben durchsetzen möchte, dann müsste sich auch die Verzinsung des Bargeldes in etwa dieser Grössenordnung bewegen, damit es keinen Anreiz gibt, das Geld von den Konten abzuziehen. Dazu könnte man entweder Bargeld besteuern oder einen Wechselkurs zwischen Bargeld und den Giro-Guthaben einführen. Der Wert einer Schweizerfranken-Note gegenüber dem Wert eines Giroguthabens in gleicher Höhe ist nicht 1, sondern kann von 1 abweichen und sich mit der Zeit auch verändern.
Ich müsste also dafür bezahlen, wenn ich am Bancomat Geld beziehen würde?
Das wäre die Variante einer Besteuerung des Bargelds. Die Wechselkurs-Variante würde bedeuten, dass ein Franken auf Ihrem Konto nicht gleich viel Wert hätte wie ein Franken im Portmonee.
In Skandinavien ist das Bargeld bereits beinahe abgeschafft. Wäre dies in der Schweiz denn überhaupt machbar?
Technisch ist es machbar, wenn sich das politisch durchsetzen lässt – was ich für die Schweiz aber nicht glaube. Und selbst in Skandinavien zirkuliert noch Bargeld und ich denke, die vollständige Eliminierung von Bargeld stellt nochmals eine sehr grosse Hürde dar. Um dies durchzusetzen, braucht es auch erhebliches technisches und anderes Know How.
Das Gespräch führte Simone Fatzer.