Die unglaubliche Menge an Handelsbewegungen welche computergesteuerte Händler mit Tempo auf die Börsen abfeuern, haben bereits ganze Handelsplätze aus den Angeln gehoben. International sucht die Politik deshalb nach Lösungen. Der Bundesrat hat im September ein neues Finanzmarkt-Infrastruktur-Gesetz vorgelegt – aber ohne konkreten Regulierungsartikel für Hochfrequenzhändler.
«Hierzulande kein Problem»
Hochfrequenzhändler seien hierzulande kein Problem, sagt Christian Katz von der Schweizer Börse: «Wir können den Handel jederzeit unterbrechen, wenn es Transaktionen geben würde, die potenziell falsch sind.»
Neue Gesetzesartikel seien deshalb nicht nötig. Die Handelsregeln der Börse schützten die Anleger, so Katz. Die Börse verdient an jeder Transaktion mit; 15 Prozent des Schweizer Handels wird durch Hochfrequenzhändler bestritten. Sie möchten keine neuen Regeln, weisen aber die latenten Vorwürfe der Abzockerei zurück.
«Regeln beim Markt, nicht bei den Teilnehmern»
«Ich wehre mich natürlich dagegen, als Böser dazustehen», sagt Hendrik Klein. Er ist Chef von DaVinci Invest – einem Vermögensverwalter, der seine Börsenhändler entlassen hat und heute via Algorithmus handelt. Sein Computerprogramm kauft und verkauft Wertpapiere in Sekundenbruchteilen.
Dass gewisse Branchenkollegen vor allem in den USA ihre Maschinen gezielt auf die Lähmung von Handelsplattformen oder die Irreführung langsamer Anleger programmieren, ist Klein bewusst. Den Hochfrequenzhandel deshalb technisch auszubremsen oder gar ganz zu verbieten, lehnt er ab. Vielmehr solle man bei der Börse selbst ansetzen: «Die Regeln soll man beim Marktplatz ansetzen, nicht bei den Marktteilnehmern.»
Massive Datenzunahme
So sieht es auch das Finanzmarkt-Infrastruktur-Gesetz (FinfraG) vor. In Artikel 30 des neuen Gesetzesvorschlages steht, dass «der Handelsplatz» den Handel «überwachen» muss. Gesetzesverletzungen muss dieser der Finanzmarktaufsicht (Finma) melden. Das heisst? Die Börse überwacht ihre Tätigkeiten weitgehend selbst.
Franca Contratto, Rechtsprofessorin an der Universität Zürich, wundert sich darüber. Das FinfraG «weicht inhaltlich nicht wirklich vom alten Börsengesetz von 1995 ab. Das erstaunt ein bisschen, weil sich die Realitäten an den Märkten schon einigermassen verändert haben.»
Die Datenmenge habe massiv zugenommen. Contratto sorgt sich deswegen um die technische Stabilität der Handelsplattformen. Diesbezüglich müsste man das Gesetz anpassen. «Man würde nicht drum herumkommen, das altbewährte Prinzip der Selbstregulierung ein bisschen zu beschneiden.»
Kontrolle durch Nationalbank?
Künftig könne zum Beispiel die Schweizerische Nationalbank die Stabilität des Aktienhandels kontrollieren, so Contratto. «Ganz wichtig wäre es, dass man im Bereich der Belastbarkeit der Handelssysteme einsetzt. Das könnte man tun, indem man regelmässig Kapazitäts- und Systemtests durchführt.»
Dies zur Vorbereitung auf Extremsituationen. Ein grosser Börsencrash hätte massive Schäden für Anleger und Wirtschaft zur Folge, ist Contratto überzeugt.
In der Schweiz hat es noch nie grössere technische Pannen gegeben – wäre ein neues Gesetz nicht also übertrieben? Nein, meint die Finanzmarkt-Expertin: «Man kennt diese Problematik der Regulierung auch aus dem Umweltschutzbereich.» Da verwende man das Vorsorgeprinzip. «Das erlaubt dem Staat bereits zu einem Zeitpunkt der Ungewissheit präventiv zu regulieren, um eben Schadensereignisse abzuwenden.»
«Das haben wir im Griff»
Man treffe bereits Präventivmassnahmen, meint Börsenchef Katz. Es brauche keine externe Aufsicht; Sicherheit sei für die Börse selbst schliesslich am wichtigsten: «Sie müssen, wenn Sie eine Börse betreiben, jederzeit einen fairen und stabilen Markt garantieren. Das ist ihr Kernauftrag.» Deshalb führe man regelmässig Stabilitätschecks durch und habe auch die Infrastruktur aufgerüstet.
Ein Algorithmus, der ausser Rand und Band gerät und die Börsen mit Anfragen bombardiert, könne der Schweizer Börse nichts anhaben, versichert Katz nochmals. «Das haben wir im Griff.» Ob diese Zusicherung der Politik genügt, entscheidet sich in der kommenden Debatte im Parlament.