Konflikte am Arbeitsplatz können Mitarbeiter krank machen, etwa zu Angstzuständen führen oder Depressionen auslösen. In der aktuellen Schweizerischen Gesundheitsbefragung gaben 16 Prozent der Männer und 19 Prozent der Frauen an, an ihrem Arbeitsplatz Diskriminierung oder Gewalt ausgesetzt gewesen zu sein. Am häufigsten – sieben Prozent der Männer und Frauen – nannten die Befragten Einschüchterung, Belästigung oder Mobbing.
Viele Klienten der Job-Coaches von Mobbing betroffen
Mobbing ist auch ein häufiger Grund dafür, dass Menschen die Job-Coaches um Hilfe bitten: «Wir haben viele Leute, die sich gemobbt, nicht integriert fühlen, Informationen zu spät bekommen», konstatiert Bettina Bärtsch, Teamleiterin der Job-Coaches. Ihre Klienten befinden sich deshalb bereits in psychologischer oder psychiatrischer Behandlung. Parallel dazu finden die Coachings statt. Das Team bereitet etwa auf Bewerbungsgespräche vor, bringt den Lebenslauf auf Vordermann oder hilft dabei, Konflikte im Job zu klären.
Gecoacht werden auch der Arbeitgeber und das jeweilige Team, in dem der Betroffene arbeitet – vorausgesetzt, dieser ist einverstanden, und alle Beteiligten sind an einer gemeinsamen Lösung interessiert. Die Klienten kommen auf drei Wegen zu den Job-Coaches: Auf Eigeninitiative respektive durch Überweisung ihres Arztes, über den Arbeitgeber oder via die Invalidenversicherung IV.
Die Erfolgsquote des Teams ist hoch, wie eine Studie der Uniklinik ergab: Von den Patienten mit Coaching kehren fast die Hälfte wieder ins Erwerbsleben zurück; bei Patienten ohne Coaching sind es nur 16 Prozent. Die Arbeit der Coaches spart auch den Sozialversicherungen viel Geld.
Daniela Aloisi, Sprecherin der SVA Zürich, sagt auf «ECO»-Anfrage: «Die Invalidenversicherung IV spart durchschnittlich 25'000 Franken pro Fall und Jahr, wenn die Eingliederung gelingt. Die IV geht davon aus, dass die Sozialversicherungen gesamthaft pro Fall bis zum Erreichen des AHV-Alters gut eine Million Franken einsparen, wenn die Eingliederung gelingt.»
Zu schnell krankgeschrieben
Leider tendierten viele Ärzte dazu, bei psychischen Erkranken viel zu schnell und vor allem zu 100 Prozent krank zu schreiben, sagt Professor Wolfram Kawohl, Leiter des Zentrums für Soziale Psychiatrie der Psychiatrischen Uniklinik Zürich PUK: «Darüber sind wir gar nicht so glücklich. Wir sind der Ansicht, dass man durchaus versuchen sollte, schnell wieder an den Arbeitsplatz zurückzukehren oder vielleicht nur mit einer Teilkrankschreibung zu arbeiten, weil jeder Tag, den man zuhause sitzt, auch die Hürde erhöht, zurückzugehen an den Arbeitsplatz.»
Umso wichtiger sei es, erste Alarmzeichen zu erkennen, die auf eine psychische Erkrankung hindeuteten. Chefarzt Wolfram Kawohl nennt als Beispiele häufige, oft kurze Abwesenheiten, geringere Produktivität, ein verändertes Kommunikations- und Sozialverhalten wie auffällige Isolation oder ein enorm starkes Kommunikationsbedürfnis sowie häufige Streitereien. Sein Rat: «Ansprechen. Ganz falsch ist Ignorieren. Wenn man sowas ignoriert, grenzt das an Vernachlässigung. Man muss es ansprechen, auch wenn es nicht ganz einfach ist. Dies sollte in einem adäquaten Rahmen passieren, also möglichst unter vier Augen.»
Vorgesetzte beeinflussen Krankenstand unmittelbar
Eine wichtige Erkenntnis, die wissenschaftlich belegt ist: Führungskräfte haben erheblichen Einfluss auf den Krankenstand ihres Teams. «Wenn ich zehn Prozent Krankenstand in meiner Abteilung habe und in eine andere Abteilung als Chef wechsle, dann hat es dort nach einiger Zeit auch zehn Prozent Krankenstand. Wenn ich vorher zwei Prozent hatte und wechsle, nehme ich die zwei Prozent mit», so Kawohl weiter.
Wer also gesundheitsorientiert führen möchte, sollte mit gutem Beispiel voran gehen, selbst genügend Pausen machen, für ein offenes Betriebsklima sorgen und keine E-Mails nachts um drei schreiben – aus Rücksicht auf die eigene Gesundheit und die seiner Mitarbeiter.