Fast dreieinhalb Jahre funktionierte der Schutzschirm für die Schweizer Exportindustrie gut. Mit der heutigen Aufhebung des Euro-Mindestkurses soll der Franken künftig seinen Wert wieder frei im Markt finden.
Im Gespräch mit SRF zeigt sich Peter Bernholz, emeritierter Wirtschaftsprofessor der Universität Basel und Spezialisten für Währungen und Geldpolitik, wenig überzeugt von der Strategie der Schweizerischen Nationalbank (SNB).
SRF: Was halten sie von diesem Überraschungscoup?
Peter Bernholz: Irgendwann wäre die Aufhebung des Mindestkurses unvermeidlich geworden. Aber natürlich ist der Zeitpunkt auch für mich überraschend gekommen, obwohl er zum Teil erklärbar ist durch die expansivere Politik der Europäischen Zentralbank und unmittelbar durch die Entscheidung des europäischen Generalanwalts, dass die EZB nun Staatsanleihen aufkaufen darf.
SNB-Präsident Jordan sagt: Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Hat er Recht?
Das ist etwas problematisch. Denn der Spielraum der Nationalbank ist auch jetzt begrenzt. Einfach deshalb, weil der Frankenkurs ja zumindest auf etwas längere Sicht keinesfalls zu stark steigen darf. Sonst kommt der Schrecken für die reale Wirtschaft.
Viele Unternehmer fühlen sich überrumpelt, Gewerkschafter sprechen von einem schwarzen Tag für den Werkplatz. Ist die Sorge einer Rezession bereits berechtigt?
Das hängt sehr davon ab, wie stark die Überbewertung des Frankens wird und wie lange sie andauert. Ein paar Tage oder wenige Wochen sind noch nicht gefährlich. Wenn die Überbewertung sehr stark wird, wird es grosse Probleme für den Werkplatz und die Beschäftigung geben. Deshalb kann ich mir auch schlecht vorstellen, dass die Nationalbank dann nicht wieder am Devisenmarkt aktiv wird.
Wie sollte die SNB den neuen kleinen Spielraum nutzen?
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Ich teile hier die Meinung von Professor Ernst Baltensberger in der «NZZ» vom letzten Sonntag, dass es wahrscheinlich günstiger gewesen wäre, einen bestimmten Währungskorb zu stabilisieren. Etwa mit 50 Prozent Dollar und 50 Prozent Euro. Da hätte man den gestiegenen Dollar wie auch gesunkenen Euro berücksichtigen können. Das wäre ein mittlerer Kurs gewesen. Die SNB hat sich allerdings aus mir nicht bekannten Gründen dagegen entschlossen.
Es gibt Stimmen aus dem bürgerlichen Lager, die die Schweizer Währungshüter loben, sie zeigten wieder Mut zu einer eigenständigen Währung. Was halten Sie davon?
Das ist eine etwas oberflächliche Betrachtung. Natürlich gehört zweifelsohne Mut zu einer solchen Entscheidung. Dass die Nationalbank aber niemals den Fixkurs als Dauereinrichtung wollte, ist allgemein bekannt. Es stellt sich jetzt aber die Frage, welcher Geld- und besonders welcher Wechselkurspolitik die SNB folgen wird. Denn ich glaube, dass die Negativzinsen unter Umständen allein nicht ausreichen. Etwa, wenn der Wechselkurs stärker ansteigt als die Negativzinsen. Dann hätte jeder, der in Franken geht, trotzdem noch einen Gewinn in der eigenen Währung.
Die Untergrenze werde weiter verteidigt, hiess es noch vor kurzem. Jetzt diese Hauruck-Übung. Ist das glaubwürdig?
Es ist klar, dass gewisse Marktteilnehmer jetzt vielleicht an der Glaubwürdigkeit der Nationalbank zweifeln werden. Aber das hängt eben auch davon ab, welche künftige Politik sie verfolgen wird. Wenn sie die Gelegenheit nutzt und Leute bestraft, die zu stark in den Franken gehen, indem sie den Kurs für den Euro wieder hochdrückt, kann man eigentlich gegen eine solche Strategie nichts einwenden, weil das auch zu einer Stabilisierung führen würde.
Das Interview führte Ursula Hürzeler