Der Wert des Rubels fällt, der Ölpreis ebenso, und in Europa sind mit der Ukraine und Griechenland gleich mehrere Länder in der Krise. Weil der Schweizer Franken als sicherer Wert gilt, erhöhen die Krisen den Druck auf die Währung. Mit der Einführung von Negativzinsen will die Schweizerische Nationalbank eine Aufwertung verhindern.
Kurt Schiltknecht, ehemaliger Chefökonom der SNB, ist nicht überzeugt, dass dies gelingen wird. «In Krisensituationen reagieren Kapitalströme nicht auf marginale Veränderungen», sagt er. Wenn sich der Rubelkurs um 50 Prozent verändere, sei es für einen Grossinvestoren «belanglos», ob er für den Wechsel vom Rubel zum Franken ein Viertelprozent dazu zahlen müsse.
Zinsen sind zu wenig effektiv
Er sage dies basierend auf seinen eigenen Erfahrungen in den 70er Jahren, als die Nationalbank schon einmal Negativzinsen eingeführt hatte. «Wenn die Anleger nicht mehr wissen, in welche Richtung die Devisenmärkte gehen, können Zinsen die Kapitalströme nicht mehr steuern.»
Schiltknecht hält den Entscheid der Nationalbank nicht für falsch. «Aber er bewirkt nichts.» Es sei ein Versuch, die Märkte zu beruhigen, sagt er und fügt an: «Manchmal macht die Notenbank auch etwas für die Tribüne, damit die Leute draussen zufrieden sind.»
«Ungerecht und unsozial»
Denn im aktuellen Fall fehlten den Anlegern die Alternativen: Auch bei anderen Währungen liegen die Zinsen sehr tief. Der Grund dafür sei, dass die Zentralbanken in Europa, den USA oder Japan den Markt mit Geld überschwemmt hätten, sagt Schiltknecht. «Damit wurde die Zinsfunktion weitgehend ausser Kraft gesetzt.» Diese Politik ist für Schiltknecht «ein grosser geldpolitischer Fehler» und der Grund, warum die SNB überhaupt erst unter Druck gekommen ist.
Die Verlierer der Geldschwemme seien dabei die Sparer. «Das ist ungerecht und unsozial», sagt der frühere Banker. Die Staaten hingegen seien «begeistert, weil sich ihr Schuldenproblem mit dem billigen Geld temporär entschärft.»
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Für eine Untergrenze von 1.10 Franken
Schiltknecht regt an, den Mindestkurs von 1.20 Franken fallen zu lassen. Die Unternehmen hätten sich an die Untergrenze gewöhnt, seit sie vor drei Jahren eingeführt wurde. «Die Belastung für einen grossen Teil der Schweizer Wirtschaft ist nicht mehr gross.»
Je länger der Mindestkurs gelte, desto mehr wachse zudem das Risiko, dass die Nationalbank ihn nicht mehr halten könne. Laut Schiltknecht gehen viele Anleger genau davon aus – was wiederum den Druck auf den Franken erhöht. «Ein Mindestkurs von 1.10 Franken würde den Druck wegnehmen, weil man wüsste, dass er eine Grösse erreicht hat, die glaubwürdig ist.»
Euro ist keine neue D-Mark
Was zudem helfen würde: den Franken an eine starke Währung zu koppeln. Der Euro sei auf absehbare Zeit keine Starkwährung, wie das früher die Deutsche Mark war, sagt der ehemalige Wirtschaftsprofessor. «Man muss sich deshalb fragen, ob man nicht einen Währungskorb für den Wechselkurs nehmen will.» Er schlägt vor, die Ausschläge des Euro mit dem Dollar zu kompensieren, da die amerikanische Wirtschaft auf dem Weg der Besserung sei. So hätte die SNB einen besser ausbalancierten Block von Währungen.
Für Schiltknecht ist klar: Ein rascher Ausweg aus dem Franken-Dilemma ist nicht in Sicht. «Nachdem in Europa keine Ansätze bestehen, die Krise wirklich an die Hand zu nehmen, wird die Nationalbank noch einige Jahre damit beschäftigt sein.» Ganz schwarz will er trotzdem nicht sehen. So konstatiert Schiltknecht: «Die Nationalbank macht einen guten Job.»
Interview: Eveline Kobler