In der Welt der Wirtschaft ist das Angebot von Prognosen zahlreich. Wie entwickelt sich die Schweizer Wirtschaft? Was machen die Immobilienpreise? Wie schaut es auf dem Arbeitsmarkt aus?
Antworten auf solche Fragen liefern etwa die Konjunkturforschungsstelle KOF der ETH Zürich, das Staatssekretariat für Wirtschaft Seco oder das Wirtschaftsforschungsinstitut BAK Basel Economics. Und obwohl es keine Garantie für die Richtigkeit von Prognosen gibt, ist die Nachfrage nach dem Blick in die Zukunft ungebrochen. Warum das so ist, erklärt SRF-Wirtschaftsredaktor Reto Lipp.
SRF News Online: Was bringen solche Prognosen?
Reto Lipp: Firmen müssen planen. Dazu braucht man Daten und Fakten – hier kommen die Prognosen ins Spiel. Auch wenn sie stark auf Annahmen beruhen und sich diese als falsch erweisen können, sind Firmen auf solche Prognosen angewiesen. Ohne sie würden sie völlig im luftleeren Raum agieren. Investitionen müssen aber geplant und vorausberechnet werden. Dazu sind Prognosen letztlich unerlässlich.
Wer hat ein Interesse an Prognosen?
Natürlich sind Firmen Abnehmer von Prognosen, aber auch der Staat oder Privatpersonen brauchen sie.
Wenn das Wirtschaftswachstum beispielsweise steigt, dann erhöhen sich auch die Steuereinnahmen. Das wiederum führt dazu, dass der Staat ein höheres Budget zur Verfügung hat.
Bei den Privaten sind Voraussagen von Interesse, wenn jemand eine Eigentumswohnung oder ein Haus kauft. Dann ist es von Nutzen zu wissen, wie sich die Immobilienpreise oder die gesamte Wirtschaft entwickeln.
Letztlich sind Prognosen für alle Wirtschaftsteilnehmer nützlich.
Private Prognose-Institute wie die BAK Basel betonen ihre Unabhängigkeit. Warum?
Die Prognosen basieren auf Annahmen – und Annahmen können auch durch Interessen gefärbt sein. Man kann Annahmen in einer bestimmten Weise steuern, so dass gewünschte Prognosen herauskommen. Von daher ist Unabhängigkeit sehr wichtig. Denn sind die Annahmen schon von bestimmten Interessen gelenkt, sind die Prognosen nicht mehr neutral.
Wie sicher sind Prognosen?
Es gibt das geflügelte Wort: «Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen». Niemand kann die Zukunft voraussagen, damit sind Prognosen immer mit Vorsicht zu geniessen. Sie basieren auf Annahmen und diese sind jeweils stark zu hinterfragen.
Niemand besitzt die Kristallkugel mit dem Blick in die Zukunft.
Wie zutreffend waren Prognosen in der Vergangenheit?
Es gibt Studien über die Zuverlässigkeit der Prognosen. Klar ist, dass die Prognostiker die grosse Finanzkrise 2008 nicht vorhergesehen haben. Auch die Wirtschaftskrise, die nachher folgte, ist in ihrem Ausmass nicht richtig vorausgesagt worden. Prognostiker haben grosse Probleme mit Trendbrüchen.
Solange man einfach einen Trend weiter in die Zukunft hochrechnen kann, sind die Prognosen meistens nicht schlecht. Wenn es aber in der Wirtschaft Trendbrüche gibt, etwa durch unerwartete Krisen oder durch neue Technologien, dann erweisen sich die Prognosen häufig als falsch.
Was passiert, wenn die Prognosen nicht zutreffen?
Man kann auf den Experten herumhacken und sie in Bausch und Bogen verdammen. Das ist aber auch nicht sinnvoll, denn niemand besitzt die Kristallkugel mit dem Blick in die Zukunft. Die Zukunft ist letztlich nicht voraussehbar. Alles, was Prognostiker tun können, ist Annahmen treffen und darauf möglichst kluge Modelle bauen, die einigermassen gewisse Trends vorhersagen können.
Man sollte nicht zu prognose-gläubig sein. Prognosen mit zwei Stellen nach dem Komma sind absurd, sie spiegeln eine Genauigkeit vor, die es niemals geben kann.