Noch vor wenigen Jahren hat die Schweiz einen Drittel aller weltweit verfügbaren Vermögen betreut. Auch heute dürfte die Zahl noch sehr hoch sein. Das sagt Christoph Lechner, Professor für Strategiefragen an der Universität St. Gallen.
Damit hat die Schweiz international eine Sonderposition inne. Und nicht nur die beiden Schweizer Grossbranken Credit Suisse und UBS betreuen Kunden aus aller Welt. Sondern auch die kleinen und mittelgrossen Banken haben Klienten aus Chile, Ecuador, Vietnam, Zimbabwe oder dem Kongo. «Das lohnte sich, weil das Geschäft mit ausländischen Kunden lange lukrativer war als das Verwalten von Schweizer Vermögen», sagt Lechner.
Mittelgrosse Banken in 100 Ländern aktiv
Auch Felix Wenger von der Beratungsfirma McKinsey teilt die Beobachtung: «Wir haben teilweise Banken gesehen, die 50 bis 100 verschiedene Märkte bedient haben.» Gemäss der Logik in anderen Industrien sollte sich ein mittelgrosser Spieler jedoch auf ein paar Märkte konzentrieren – oder auf ein paar ganz spezifische Produkte, sagt Wenger.
Genau dies tun jetzt auch die Banken vermehrt. Einerseits ist das Auslandgeschäft zu teuer geworden, denn viele Staaten haben die Regulierung fürs Bankgeschäft verschärft. Andererseits werden die hiesigen Banken angehalten, punkto Schwarzgeld oder Geldwäscherei genauer hinzuschauen. Entsprechend müssen die Institute besser aufpassen, wenn sie sich keine Rechtsstreitereien mit dem Ausland einhandeln wollen.
20'000 Franken pro Kunde für Abklärungen
Haben Banken früher Kunden ohne Bedenken angenommen, stellen die Geldhäuser heute vorher aufwändige Abklärungen an. Dies kostet die Bank laut Lechner schnell bis zu 20‘000 Franken pro Kunde.
Deshalb ziehen sich die Banken nun im grossen Stil aus bestimmten Ländern zurück. Bekanntestes Beispiel ist die Credit Suisse: Sie hat angekündigt, dass sie 50 Länder nicht mehr bedienen wird. «Wenn die CS als Schweizer Grossbank so etwas macht, werden das kleinere Banken noch in viel grösserem Umfang tun», ist Lechner überzeugt.
«Schweiz hat wichtige internationale Vorteile»
Wenger geht davon aus, dass mittelgrosse Banken künftig nicht mehr 50 bis 100 Länder abdecken werden, sondern nur noch 10 bis 20. Läuft die Schweiz dadurch Gefahr, ihre Vormachtstellung im internationalen Vermögensverwaltungsgeschäft zu verlieren? Die Branchen-Experten sehen das nicht so.
Wenger etwa ist überzeugt: «Die Schweiz hat wichtige Vorteile im internationalen Wettbewerb – nicht nur die politische Stabilität. Sondern auch eine Tradition und eine professionelle Umgebung, die eben doch nicht überall verfügbar ist.» Sie könnten in der Schweiz in einer Art Geld anlegen, wie es in anderen Ländern nicht möglich sei.