Ingenieure sind in der Schweiz langsam Mangelware. Durch den Kostendruck in der Branche sei die Zukunft von jungen Ingenieuren bedroht, warnt der Branchenpräsident Heinz Marti.
Eine junge Ingenieurin sagt es so: «Man macht sich schon Sorgen.» Sorgen, ob sie wirklich so lange auf ihrem angestammten Beruf arbeiten kann, wie ihr Chef. «Momentan kann ich noch so arbeiten, wie ich mir das vorgestellt habe und meine Ideen in Projekte einfliessen lassen.» Aber es gehe schon in eine Richtung, in der Termin und Kostendruck so hoch würden, dass nur noch gearbeitet werde, um die Kosten unter Kontrolle zu halten.
Die Entwicklung in der Preisgestaltung und das Einkaufsverhalten der öffentlichen Hand haben dazu geführt, dass sich die Preisspirale seit Jahren nach unten dreht.
Gerade bei öffentlichen Grossprojekten im Tiefbau – also bei Autobahnen, Tunnel oder Brücken müssten auch Ingenieurarbeiten immer günstiger angeboten werden, sagt Heinz Marti: «Die Entwicklung in der Preisgestaltung und das Einkaufsverhalten der öffentlichen Hand haben dazu geführt, dass sich die Preisspirale seit Jahren nach unten dreht.»
Wegen des Spardrucks und der Richtlinien der Welthandelsorganisation seien die Beschaffer gezwungen, den billigsten Anbieter auszuwählen. Das wiederum führe dazu, dass die Planerbüros versuchten, immer billiger zu offerieren.
Auslagerung ins Ausland
Der Ausweg: Einfachere Berechnungen und Zeichnungen an Büros im Ausland verlagern – zum Beispiel nach Polen oder Ungarn. Dort kostet die Ingenieurstunde etwa 20 Franken. In der Schweiz ist es mehr als das Fünffache. Bei Grossprojekten kann hier schnell eine Differenz von ein paar 10'000 oder sogar 100'000 Franken entstehen.
Einige Konkurrenten würden diese Möglichkeiten schon heute nutzen, um Projektwettbewerbe zu gewinnen, meint Heinz Marti. Für ihn komme das noch nicht in Frage, aber «wenn wir ausschliesslich in diesem Segment tätig wären, müssten wir uns ernsthaft überlegen, mit günstigeren ausländischen Ingenieuren zu arbeiten.»
Das Problem dabei: Es sind gerade diese Arbeiten, zum Beispiel einfachere Berechnungen für oberirdische Bauten, die angehende Ingenieurinnen und Ingenieure in der Schweiz ausführen. Diese sind quasi die Basis ihrer praktischen Ausbildung. Werden solche Arbeiten häufiger ins Ausland vergeben, ist für den Ingenieur-Nachwuchs in den Schweizer Büros kein Platz mehr.
Teufelskreis
Das würde in der Konsequenz heissen: Die Schweiz bildet an der ETH und den Fachhochschulen gute Ingenieurinnen und Ingenieure aus, die dann aber keine Stelle mehr finden, weil Schweizer Büros nur noch erfahrene Leute suchen, welche die komplexen Abschnitte der Projekte umsetzen. Diese wiederum müsste man dann letztlich auch wieder im Ausland suchen, weil es in der Schweiz keinen Ingenieur-Nachwuchs mehr gibt.
Ein Teufelskreis entsteht. Heinz Marti und Barbara Low würden den gerne frühzeitig durchbrechen. Barbara Low sagt, «Ich würde gerne an die Behörden appellieren, die Projekte so umzusetzen, so dass der Nachwuchs eine Chance hat, sich einzubringen.»
Der Vorschlag von Heinz Marti: gesetzliche Mindeststandards für Strassen- und Bahnprojekte, die es der öffentlichen Hand ermöglichten, das Projekt mit dem besten Preis-/Leistungsverhältnis auszuwählen. Doch bis jetzt ist der Chef des Verbands der beratenden Ingenieure bei den Behörden noch nicht auf offene Ohren gestossen.