Der Übernahmekampf zwischen dem Sika-Verwaltungsrat und den Sika-Erben geht in die entscheidende Runde: An der ordentlichen Generalversammlung (GV) des Schweizer Bauchemiekonzerns heute Nachmittag entscheidet sich voraussichtlich, wer künftig das Sagen bei Sika hat.
Neben der Wieder- beziehungsweise Abwahl des Verwaltungsrates werden die Anträge der Ethos-Stiftung und der Bill-Gates-Beteiligungsgesellschaft einen entscheidenden Einfluss auf die Zukunft des Konzerns haben.
Familie wil verkaufen
Den Wirtschaftskrimi ins Rollen brachte vor knapp fünf Monaten die Ankündigung der fünf Sika-Erben, ihre Stimmenmehrheit für 2,75 Milliarden Euro an den französischen Baukonzern Saint-Gobain zu veräussern.
Als Familienaktionäre halten die verkaufswilligen Geschwister Burkard zwar nur 16,1 Prozent des Aktienkapitals, verfügen aber dank ihrer Vorzugsaktien über 52 Prozent der Stimmen. Sie könnten damit den Verkauf durchsetzen, wären da nicht der Verwaltungsrat und das Management, die darin keinen Vorteil für das Unternehmen sehen.
Käme der Deal mit Saint-Gobain zu Stande, würde der französische Bauriese die Kontrollmehrheit über das Unternehmen erlangen. Die Erben ihrerseits würden eine Prämie von ungefähr 80 Prozent des Wertes der Sika-Aktien einstreichen. Und das übrige Aktionariat ginge leer aus.
Verwaltungsrat und Management wehren sich
Für die Minderheitenaktionäre ist der angestrebte Deal inakzeptabel, weil sie aufgrund der sogenannten Opting-Out-Klausel (Verzicht auf Übernahmeangebot an Minderheitsaktionäre) ihre Aktien nicht zu den gleich guten Bedingungen an Saint-Gobain verkaufen können.
Um den Verkauf an Saint-Gobain zu vereiteln, könnte der Sika-Verwaltungsrat an der GV die Stimmrechte der Schenker-Winkler Holding (SWH) beschränken. In diese hat die Familie Burkard ihre Aktien eingebracht. Laut Statuten ist eine solche Vinkulierung auf fünf Prozent möglich, sie wurde bisher aber nie auf die Familienaktionäre angewendet. Diese kündigten denn auch bereits an, in diesem Fall umgehend gegen den Entscheid zu klagen.
Sollte der Verwaltungsrat die Stimmrechtbeschränkung durchsetzen, könnte SHW nicht mehr den ihr genehmen Verwaltungsrat bestellen. Darüber hinaus würde Saint-Gobain mit der Übernahme des Aktienanteils nicht mehr automatisch die Kontrollmehrheit erlangen, was den Konzern vom Deal abschrecken könnte.
Grosses Köpferollen oder bleibt alles beim Alten?
Nach Bekanntmachung ihrer Verkaufsabsichten versuchten die Sika-Erben eine ausserordentliche Generalversammlung einzuberufen. An dieser wollten sie den Verwaltungsrat-Präsidenten Paul Hälg sowie die beiden Verwaltungsratsmitglieder Monika Ribar und Daniel Sauter abwählen lassen, da sie sich dem geplanten Deal widersetzten. Die ausserordentliche Generalversammlung kam jedoch nicht zustande. Erst weigerte sich der Verwaltungsrat, das Gesuch zu behandeln, dann scheiterten die Sika-Erben mit ihrem Anliegen vor Gericht.
Zur Abwahl der unliebsamen Verwaltungsratsmitglieder könnte es nun an der ordentlichen Vollversammlung kommen. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass die drei Vertreter der Familie Burkard – Sika-Erbe Urs Burkard, Willi Leimer und Jürgen Tinggren – sowie der als neuer Verwaltungsrats-Präsident vorgeschlagene Max Roesle abgelehnt werden.
Auf die Seite von Sika haben sich inzwischen Aktionäre mit einem kumulierten Kapitalanteil von über 40 Prozent geschlagen. Zu diesen zählen 22 Pensionskassen von Schweizer Unternehmen, Städten und öffentlichen Institutionen.
Abschaffung der Opting-Out-Klausel
Nach der Wieder- beziehungsweise Abwahl des Verwaltungsrates wird der Antrag der Ethos-Stiftung zur Abschaffung der Opting-Out-Klausel einen entscheidenden Einfluss auf den weiteren Verlauf des Übernahmestreits haben. Sollte die Opting-Out-Klausel fallen, müsste Saint-Gobain eine Kaufofferte für das gesamte Kapital zu gleichen Bedingungen abgeben. Unter diesen Bedingungen würde der französische Konzern Saint-Gobain womöglich vom Kauf absehen, da er viel teurer würde.
Anträge von Bill Gates
Schliesslich wird das Aktionariat an der Generalversammlung auch über zwei Anträge von Microsoft-Gründer Bill Gates abstimmen, der über seine Beteiligungsgesellschaft Cascade drei Prozent der Sika-Aktien hält. Der erste Antrag fordert eine Sonderprüfung. Dabei soll untersucht werden, ob vertrauliche Informationen bei der Transaktion mit Saint-Gobain offengelegt wurden.
Der zweite Antrag verlangt die Einsetzung eines Sachverständigen-Ausschusses. Dieser hätte die Aufgabe, die zukünftige Tätigkeit des Verwaltungsrats zu überwachen, um Benachteiligungen für die Mehrheitsaktionäre zu verhindern.