Die türkische Währung – die Lira – ist regelrecht eingebrochen. Beobachter erwarten, dass die Zentralbank an einer Sondersitzung heute Dienstag den Leitzins anheben wird. Sie hat mit diesem Schritt lange zugewartet.
«Der Druck wurde nun einfach zu gross», sagt Thomas Seibert im Gespräch mit SRF. Er ist Journalist in Istanbul. Bis jetzt habe man versucht, den Kurs der Lira durch den Verkauf von Dollar-Vorräten zu stützen. Doch habe sich der Wertverlust der Lira in den letzten Wochen so beschleunigt, «dass sich die Zentralbank nun gezwungen sieht, doch mit einem Zinsschritt einzugreifen».
Doch weshalb ist die Lira seit Wochen auf Talfahrt? Die Gründe sind sowohl politischer als auch wirtschaftlicher Natur, erklärt Seibert. Einerseits erschütterten seit Dezember Korruptionsvorwürfe die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan. «Das sorgt für Instabilität und viele Anleger fragen sich, ob die Türkei wirklich noch ein guter Platz ist, um Geld anzulegen.»
Andererseits durchlaufe die Türkei – wie alle Schwellenländer – im Moment eine wirtschaftlich relativ schwierige Phase, sagt Seibert. Die US-Zentralbank hat angekündigt, ihre Anleihen-Ankäufe allmählich auslaufen zu lassen. «Das bedeutet, dass viele internationale Anleger ihr Geld aus den Schwellenländern zurückziehen und in den USA anlegen.»
Energieeinfuhren werden immer teurer
Die schwache Lira macht es für die Türkei insbesondere mit Blick auf die Energieversorgung schwierig. Denn Ankara ist angewiesen auf Öl und Gas aus dem Ausland – vor allem aus dem Iran und aus Russland. Verliert die eigene Währung stetig an Wert, werden solche Einfuhren immer teurer.
Beobachter gehen davon aus, dass die türkische Zentralbank an ihrer Sondersitzung beschliesst, den Leitzins anzuheben. Er steht im Moment bei 7,75 Prozent. Erwartet wird eine Anhebung um mindestens 300 Basispunkte. «Damit würden die türkischen Anleihen wieder attraktiver für Anleger», sagt Seibert. Mehr Geld würde ins Land fliessen und der Verfall der Lira könnte gestoppt werden.
Zinsanhebung könnte Wirtschaft abwürgen
Doch die Zentralbank steht vor einem Dilemma: Denn eine Anhebung des Leitzinses könnte Investitionen im eigenen Land abwürgen. Die Regierung Erdogans hat bereits durchblicken lassen, dass sie von einer Zinsanhebung nichts hält.
«Die Regierung macht Druck auf die Zentralbank», sagt Seibert. Die Regierung stehe im Wahlkampf und wenn eine Zinsanhebung die Wirtschaft abwürge und dadurch die Arbeitslosigkeit ansteige, «dann ist das natürlich nicht in ihrem Interesse». Der Entscheid der Zentralbank werde zeigen, wie unabhängig sie sei.