Wie viele andere Marktteilnehmer hat auch der Chefökonomen der Raiffeisen-Gruppe, Martin Neff, den Zinsschritt der US-Notenbank genau so kommen sehen. «Die Zinserhöhung um ein Viertelprozent ist von den Märkten erwartet worden und ist entsprechend bereits im Dollarkurs eingepreist», sagt Neff. Grössere Kursschwankungen oder gar heftige Verwerfungen an den Märkten befürchtet der Ökonom deswegen nicht.
Auch Martin Naville rechnet nicht damit, dass sich der Dollar noch stark bewegt. «In den letzten Wochen ist der Dollar stärker geworden; das widerspiegelt, dass die Märkte eine leichte Zinserhöhung erwartet haben», sagt der Direktor der Handelskammer Schweiz-USA auf Anfrage von SRF News.
Höhere US-Zinsen locken Anleger
Für die Investoren bedeute die Zinserhöhung, dass es nun attraktiver werde, ihr Geld in den USA anzulegen. Dies sei gut für die Schweiz, denn es dürfte den Aufwertungsdruck auf den Schweizer Franken abschwächen, ist Chefökonom Neff überzeugt: «Der Schweizer Franken ist nun nicht mehr die Fluchtwährung Nummer Eins. Die Negativzinsen in der Schweiz und eine Rendite von über zwei Prozent in den USA werden Geld nach Amerika locken.»
Der Schweizer Franken ist nun nicht mehr die Fluchtwährung Nummer Eins.
Für die Schweizer Exportwirtschaft waren die USA im letzten Jahr die weitaus wichtigste Stütze, weiss Neff: «Die USA haben stark mitgeholfen, dass die Schweizer Wirtschaft den Frankenschock verdauen konnte. Wir sind nicht nur vom Euro abhängig.»
In den ersten zehn Monaten dieses Jahres legten die Exporte in die USA um rund 5 Prozent zu, während die Lieferungen nach Asien stagnierten und in die Eurozone gar um 8 Prozent zurückgingen, nachdem die Nationalbank am 15. Januar 2015 den Euro-Mindestkurs aufgegeben hatte. Zugpferd war dabei die Pharmabranche, die mit rund 11,4 Milliarden Franken die Hälfte der Schweizer Exporte in die USA tätigte.
Schweizer Exportunternehmen sind gut positioniert
Dies liege aber nicht in erster Linie am Dollarkurs; dieser habe sich übers gesamte Jahr nicht stark verändert, argumentiert Handelskammer-Direktor Naville. «Die Schweizer Exportunternehmen sind in den USA sehr gut positioniert: Viele von ihnen sind schon lange in den USA tätig, sie kennen die Besonderheiten des Vertriebs oder des Marketings in den USA, kurz: die Eigenheiten des amerikanischen Marktes.»
Die Schweizer Exporte in die USA sind in den letzten zwanzig Jahren stets stärker gewachsen als in die übrigen Länder.
Der US-Markt sei zudem weit offener als etwa die Märkte in China, Brasilien oder Indien. «Dies spielt den Schweizer Exportfirmen in die Hände. Die Schweizer Exporte in die USA sind in den letzten zwanzig Jahren stets stärker gewachsen als in die übrigen Länder, ob der Dollar nun hoch oder tief war», ergänzt Naville. So gesehen, habe der Entscheid der US-Notenbank keine direkte Auswirkung auf die Schweizer Wirtschaft.
Dennoch sei die Zinswende in den USA ein gutes Signal für die Schweizer Unternehmen, glaubt Raiffeisen-Chefökonom Neff: «Der Entscheid zeigt, dass die US-Notenbank nun die Konjunktur und den Arbeitsmarkt als solide und robust einschätzt.»
Allein im November wurden über 200'000 neue Stellen geschaffen; mit einer Erwerbslosenquote von rund fünf Prozent seien die USA nahe an der Vollbeschäftigung. Dies stütze den Konsum und damit die Konjunktur in den USA. Und wenn die Konjunktur in den USA rund laufe, dann könne davon auch die Schweizer Exportwirtschaft profitieren, erwartet Martin Neff. Denn die USA sind nach Deutschland der zweitwichtigste Markt für die hiesige Exportindustrie.