SRF News: Toyota und VW sind nicht die einzigen Autohersteller, die neue Geschäftsfelder suchen. Daimler kaufte die App MyTaxi und General Motors investierte 500 Millionen Dollar in den Uber Konkurrenten Lyft. Immer mehr Autobauer steigen ins Geschäft mit Fahrdiensten ein. Welche Strategie steckt hinter solchen Investitionen?
Jörg Beckmann: Zum einen wollen die Automobilhersteller über diese neuen Plattformen und Angebote ihre Fahrzeuge in Zukunft verkaufen. Zum anderen steigen sie bei Uber und anderen Fahrdienstleistern ein, um diesen Zukunftsmarkt im Blick zu behalten und in diesen neuen Geschäftsfeldern selber ein massgeblicher Akteur zu werden.
Sagen sich also die Autobauer: Wenn wir schon weniger Autos verkaufen können weil immer weniger Leute selber ein Auto haben wegen neuen Taxidiensten wie Uber, dann wollen wir wenigstens auch an diesen neuen Mobilitätsformen teilhaben?
Das ist korrekt. Insbesondere in den Metropolen der Industrienationen ist der Absatz privater Fahrzeuge immer schwieriger. Hier möchten junge Leute Fahrzeuge nutzen aber nicht besitzen. Genau deswegen kommen die Automobilhersteller mit neuen Angeboten wie Mitfahrzentralen, Carsharing oder dem Teilen von Parkplätzen in die Städte.
Automobilhersteller werden in Zukunft nicht mehr nur Motoren und Fahrzeuge herstellen, sondern neue Geschäftsmodelle anbieten.
Die Autobauer suchen sich also neue Geschäftsfelder und sagen, dass sie sich vom Autobauer zum Dienstleistungsunternehmen entwickeln wollen. Was muss man darunter verstehen?
Autohersteller werden in Zukunft nicht mehr nur Motoren und Fahrzeuge herstellen, sondern auch neue Geschäftsmodelle anbieten. Das machen sie typischerweise in Partnerschaft mit den grossen ICT-Konzernen, wie Google, Apple, Uber und anderen. Denn hier sitzt das Know-how, das die Automobilhersteller brauchen, um diese neuen Dienste zu entwickeln.
Neue Konkurrenten steigen in den Markt ein, wie etwa Google. Haben Sie ein Beispiel, wie sie die Automobilhersteller bedrängen?
Zum einen sorgt Google seit zwei, drei Jahren für Furore mit dem selbst fahrenden Google Car. Das ist eine Herausforderung, die auf die Automobilhersteller zukommt. Zugleich bieten selbstfahrende Autos auch die Möglichkeit, mit einem neuen Fahrzeug neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Denn das selbstfahrende Fahrzeug wird nicht mehr in erster Linie ein privates Auto sein, sondern wir werden in Zukunft über eine App ein solches Automobil bei einem Flottenbetreiber bestellen können. Dieser könnte auch ein Zusammenschluss von Google und einem Automobilhersteller sein. Dieses Unternehmen wird uns das Fahrzeug nach Hause schicken, wir werden einsteigen und es dann wieder irgendwo stehen lassen.
Der private Autobesitz wird überflüssig werden.
Die Autohersteller können immer weniger Fahrzeuge verkaufen und steigen deshalb in neue Geschäftsfelder ein, in dem sie sich zum Beispiel an Uber beteiligen. Aber können denn die Autohersteller auf diese Weise die Umsätze wettmachen, die wegfallen, weil sie weniger Autos verkaufen?
Davon ist auszugehen. Die operative Rendite im Automobilsektor ist typischerweise eher gering im Vergleich zu der Rendite im ICT-Sektor. Das heisst, diese neuen digitalen Angebote werden sicher gut einschenken und die Verluste aus dem klassischen Automobilverkauf kompensieren können.
Was bedeutet das für die Zukunft der Mobilität? Wird überhaupt noch jemand ein Auto besitzen?
Immer weniger Menschen werden ein Auto besitzen, weil die Angebote von Uber und anderen Mobilitätsunternehmen es wesentlich leichter machen, auch ohne privates Auto auszukommen. Insbesondere in Städten wird sich dieser Trend weiter fortsetzen. Auch mit dem autonomen Fahren wird sich dieser Trend nochmals verstärken und der private Autobesitz immer überflüssiger werden.
Das Gespräch führte Denise Schmutz.