- Die beiden Vorlagen zur AHV-Reform erhalten rund zwei Wochen vor der Abstimmung vom 25. September deutlich Zustimmung.
- Aber die Meinungsbildung seit der ersten SRG-Umfrage Anfang August tendiert zu einem Nein.
- Die AHV-Vorlagen dürften das Volksmehr erreichen. Sollte sich aber die lateinische Schweiz gegen die höhere Mehrwertsteuer aussprechen, ist das Ständemehr auf der Kippe.
Bei der Reform der AHV sind zwei Abstimmungsvorlagen miteinander verknüpft: Mit der AHV 21 soll das Rentenalter für Frauen auf 65 Jahre erhöht werden und mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer zusätzliche Einnahmen für die AHV ermöglicht werden.
59 Prozent der Stimmberechtigten sprechen sich zurzeit für die AHV 21 aus. Das sind aber 5 Prozentpunkte weniger als Anfang August in der ersten SRG-Umfrage. In der gleichen Grössenordnung haben die Gegner zugelegt. 38 Prozent der Befragten wollen Nein stimmen.
Auch bei der Erhöhung der Mehrwertsteuer legte die ablehnende Seite fünf Prozentpunkte zu auf 34 Prozent, aber immer noch 63 Prozent befürworten die Vorlage eher oder bestimmt.
Nein-Seite legt zu
Trotz der hohen Zustimmung verliert das Ja-Lager etwas an Boden und das Nein-Lager legt zu. «Die Frage der Geschlechter und der Gerechtigkeit zwischen Mann und Frau steht im Zentrum der Diskussion», sagt Politologin Martina Mousson vom Institut GFS Bern zur Trend-Entwicklung. «Das hat die eine oder andere Frau, oder den einen oder anderen Französisch oder Italienisch sprechenden Stimmbürger Richtung Nein bewegt.»
Damit spricht Mousson die zwei entscheidenden Punkte bei den beiden Abstimmungsvorlagen an: Der Graben zwischen den Geschlechtern und den Sprachregionen.
Die Ablehnung eines höheren Rentenalters hat sich bei den Frauen verstärkt und die Stimmabsicht gar gedreht: Im August waren noch 52 Prozent der befragten Frauen bestimmt oder eher dafür, Anfang September nur noch 46 Prozent. Bei den Männern waren 72 Prozent dafür (-2 Prozentpunkte).
Mehrheitlich fällt das Nein der Frauen (51 Prozent) aber nur für die AHV 21 aus, also zur Rentenalter-Erhöhung. Bei der Zusatzfinanzierung beträgt das Nein 46 Prozent.
«Bei der AHV-Reform haben wir es tatsächlich mit einem deutlichen Geschlechtergraben zu tun, mit 26 Prozentpunkten ein rekordhoher Unterschied zwischen Frauen und Männern», erklärt Mousson. Bisher bekannte Werte bei der Differenz zwischen Männern und Frauen bewegten sich um 22 bis 23 Prozent. «Die Betroffenheit der beiden Geschlechter ist bei der AHV-Reform tatsächlich eine andere: Frauen sind von dieser Reform unmittelbar direkter betroffen.»
Einmal mehr öffnet sich der Rösti-Graben
Neben dem Geschlechtergraben zeigt sich bei der zweiten SRG-Umfrage auch ein grosser Unterschied zwischen den Landesteilen. Fast schon als «Abstimmungstradition» bezeichnet dies Mousson: «Die französischsprachige, aber auch die italienischsprachige Schweiz tendieren in Fragen der sozialen Sicherheit eher dazu, mit der Linken zu stimmen. Ausserdem haben sie erhöhte Sensibilitäten, insbesondere in der französischsprachigen Schweiz für Fragen rund um Gleichberechtigung und Frauen.»
Trotz der hohen Zustimmung zur AHV-Reform stehen also gewisse Fragezeichen zum Ausgang im Raum. Laut Politologin Mousson zeigen die sprachregional unterschiedlichen Tendenzen, dass die französisch- und italienischsprachige Schweiz dabei sei, in der Frage um die AHV 21 zu kippen. «Das könnte dazu führen, dass sechs bis sieben Stände Nein stimmen und damit kommt plötzlich die Frage des Ständemehrs auf den Tisch.»
Argumente sprechen für Befürworter
Trotz der hohen Zustimmung bei den beiden AHV-Vorlagen zeichnet sich ein linkes Nein deutlicher ab als noch vor einem Monat. Die Ablehnung aus Reihen der Grünen (63 Prozent) und der SP (70 Prozent) ist deutlich in der Mehrheit. Die Ablehnung der Zusatzfinanzierung über die Mehrwertsteuer fällt etwas tiefer aus.
Argumentativ überzeugen die Befürworter eine Mehrheit der Befragten. 62 Prozent sind der Ansicht, die AHV-Reform erhöhe die Solidarität zwischen den Generationen, weil auch Pensionierte eine höhere Mehrwertsteuer mittragen müssen.
Und auch das Argument, es gebe keinen Grund, Frauen früher zu pensionieren als Männer, unterstützen 61 Prozent. 55 Prozent stimmen zu, dass die Reform die AHV sichere, ohne dass Renten gekürzt werden müssten.
51 Prozent unterstützt das Gegenargument, die Reform strafe Frauen doppelt, weil sie bereits heute ein Drittel weniger Rente erhielten als Männer. Aber nur 47 Prozent sind einverstanden, mit der Aussage, dass eine Erhöhung des Rentenalters für Frauen nicht in Frage komme, solange sie für die gleiche Arbeit weniger Lohn erhielten.
Zurzeit spricht sich eine Mehrheit für die Reform aus. Ein Meinungsumschwung ist wenig wahrscheinlich und die beiden Vorlagen erreichen das Volksmehr wohl sicher. Doch bei der Mehrwertsteuer-Vorlage haben die Befürworter das Ständemehr noch nicht auf sicher.