Die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) ist eines der grossen Sorgenkinder der Schweizer Bevölkerung. Im jüngsten Sorgenbarometer des Vergleichsdienstes Moneyland vom Mai 2022 belegten die AHV Rang 7 und die Altersvorsorge allgemein Platz 9. Dies hinter Ängsten vor Krieg, Klimawandel und steigenden Krankenkassen-Prämien.
Etliche Sanierungsversuche sind schon gescheitert
Das Problem der AHV ist hinlänglich bekannt: Weil die Babyboomer-Generation nun in Rente geht, steigen die Ausgaben. Zudem müssen die Renten wegen der steigenden Lebenserwartung länger ausbezahlt werden. Damit gerate unsere AHV in den nächsten Jahren in Schieflage, prognostiziert das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV).
Am 25. September 2022 stimmt die Schweiz über eine neue Reform «AHV 21» ab. Damit sollen die Renten zumindest für die nahe Zukunft gesichert werden. Die Reform besteht aus zwei Vorlagen. Wird eine der beiden abgelehnt, scheitert die Revision.
Erhöhung der Mehrwertsteuer und Frauenrentenalter 65
Einerseits sollen durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer mehr Einnahmen generiert werden. Der Normalsatz von 7,7 Prozent würde um 0,4 Prozentpunkte auf 8,1 Prozent steigen. Dies würde der AHV bis 2032 zusätzliche Einnahmen von über 12 Milliarden Franken einbringen, schätzt der Bund.
Andererseits soll das Rentenalter der Frauen von heute 64 Jahren demjenigen der Männer angepasst werden. Neu läge der ordentliche Zeitpunkt für die Pensionierung der Frauen ebenfalls bei 65 Jahren. Diese Massnahme würde der AHV bis 2032 Ersparnisse um rund fünf Milliarden Franken bringen. Zudem würde das Renteneintrittsalter flexibler – neu könnte die Rente zwischen 63 und 70 Jahren bezogen werden.
Keine der beiden Vorlagen löst das Problem der AHV grundlegend. Sie sollen die AHV aber «stabilisieren». Das heisst: Die Renten sollen zumindest für die kommenden zehn Jahre sichergestellt werden.
Argumente der Gegner:innen
Ein Bündnis aus linken Parteien, Gewerkschaften und Frauenverbänden haben das Referendum gegen die Vorlage ergriffen. Die Reform werde auf dem Buckel der Frauen ausgetragen, obwohl diese bereits eine viel niedrigere Rente erhielten, so das Hauptargument.
Laut einer Studie des BSV ist die durchschnittliche Altersrente von Frauen über alle drei Säulen hinweg mehr als ein Drittel niedriger als jene der Männer. Dies vor allem wegen Lohnunterschieden zwischen den Geschlechtern und wegen des grösseren Anteils an Teilzeitarbeit und unentgeltlicher Arbeit der Frauen.
Vor der Angleichung des Rentenalters fordern die Referendumsführerenden die Beseitigung dieser Diskriminierungen. Eine Erhöhung des Rentenalters könne zudem dazu führen, dass mehr Menschen arbeitslos würden oder Sozialhilfe beziehen, so ein anderes Argument.
Argumente der Befürworter:innen
Die Befürworter argumentieren, die AHV gerate nach 25 Jahren ohne umfassende Reform finanziell zunehmend in Schieflage, Massnahmen seien dringend nötig.
Das Rentenalter für Frauen solle erhöht werden, da Frauen eine höhere Lebenserwartung haben als Männer und daher länger eine Rente beziehen. Für die Erhöhung der Mehrwertsteuer spreche, dass damit die gesamte Bevölkerung einen Beitrag an die Reform leiste. Die Unterstützer der Reform begrüssen auch die neue Flexibilität bei der Pensionierung sowie den schrittweisen Übergang vom Berufs- ins Rentnerleben.