Anstand, Manieren und «Grüezi säge». Mit diesen Werten erlebte die Künstlerin Rollanda Ibernini eine unproblematische und einfache Integration in der Schweiz.
Die Werte waren ihrem jamaikanischen Vater wichtig, als die Familie in den 70er-Jahren von Birmingham (GB) in die aargauische Gemeinde Birr zog. Ein Gespräch mit einer facettenreichen Frau über eine erfolgreiche Integration.
SRF: Für Sie verlief die Integration in der Schweiz sehr einfach. Warum?
Rollanda Ibernini: Es gibt zwei Sätze, die mein Vater immer gesagt hat «if you go to Rome do what the Romans do – wenn Du nach Rom gehst, dann mach, was die Römer machen». Und der andere Satz war «denk nicht in Farben». Anstand, Manieren und «Grüezi säge», das war für meine Eltern ganz wichtig.
Ich war aber auch offen, bin auf die Leute zugegangen und habe mit ihnen gesprochen. Ich bin wie durch das Ganze durchgeschwommen. Ich hatte nie die Probleme, von denen andere erzählen.
Es gibt Menschen, die sagen, dass es vielleicht auch deswegen einfacher ging, weil ich eine Schweizer Mutter hatte, das hat sicher geholfen. Aber die Art hat mir mein Vater beigebracht. Wenn mal etwas war, ist man zu den Leuten hin und hat geredet. Nachgerufen hat mir aber zum Beispiel nie jemand.
Sie haben immer ein Strahlen im Gesicht und ein Lächeln auf den Lippen, da hat man es vielleicht auch einfacher, sich zu integrieren?
Ich glaube schon, dass das hilft. Das Lachen meiner Mutter und meines Vaters ist in mir drin. Manchmal spreche ich Leute beim Einkaufen auch einfach an.
Auf diesem Planeten gehen wir alle in eine Richtung. Wir gehen alle heim.
Dann sind die Leute überrascht und fragen sich, warum spricht die jetzt mit mir? Das war aber in England ganz normal, da sprechen alle miteinander.
Als Sie zehn Jahre alt waren, wollte Ihre Mutter wieder zurück in die Schweiz. Sie zogen nach Birr. Gibt es ein Ereignis aus dieser Zeit, das Ihnen geblieben ist?
Ja, als wir in der ersten Woche durch das Dorf spazierten, ist das ganze Dorf zusammengelaufen. Alle Leute kamen auf die Strasse. Alle haben geschaut und sich gefragt, was jetzt das wohl für Leute sind. Nicht bös, sondern einfach aus Neugierde. Sie haben einen solch dunkelhäutigen Mann wie meinen Vater einfach noch nie gesehen. Kam dazu, dass er noch einen Töff hatte. Einen Matchless.
Man sollte mit dem Herzen schauen.
Er war mit dem Töff von England in die Schweiz gefahren, während meine Mutter, mein Bruder und ich per Zug in die neue Heimat gereist waren. Er auf diesem Töff war natürlich schon ein spezielles Bild. Und wir als halb dunkelhäutige Kinder mit meiner Mutter, der Schweizerin, da mussten einfach alle schauen.
Es war zwar ein wenig komisch für mich, aber ich habe das verstanden. In der Schule hat sich dann alles aufgelöst. Ich hatte viele Freundinnen, vielleicht auch, weil ich anders war.
Wie oft gehen Sie heute noch nach Jamaika?
Nicht mehr oft, weil ich am liebsten mit meinem Vater gegangen bin. Er sprach Patois und wusste, wie man mit diesen Menschen umgeht. Mit ihm war es schön. Er ist leider gestorben, er ist heimgegangen. Aber auf diesem Planeten gehen wir alle in eine Richtung. Wir gehen alle heim.
Darum ist es wichtig, dass wir nicht in Farben schauen, wenn wir einen Menschen sehen. Nicht schauen, wenn jemand komisch angezogen oder andersartig ist. Man sollte mit dem Herzen schauen. Das Ganze sehen und zuhören, was die Menschen sagen.
Das Gespräch führte Sandra Schiess.