Der neuste Solidaritätsbarometer der Glückskette untersucht, wie solidarisch die Schweiz nach der Covid-19-Pandemie ist. Die sechs wichtigsten Erkenntnisse.
1. Solidarität im Privaten – Egoismus in den sozialen Medien
In der Studie ist eine Tendenz zu mehr Solidarität im Privaten erkennbar. Im Familien-, Verwandtschafts- und Kollegenkreis ist sie besonders ausgeprägt. Je persönlicher und näher der Kontakt, desto solidarischer wird der Bereich wahrgenommen. Entsprechend wird beispielsweise die Arbeitswelt als weniger solidarisch gewertet.
2. Menschen sind wichtiger als Umwelt und Tiere
Zwei Drittel der Befragten bevorzugen es, Menschen anstatt die Umwelt oder Tiere zu unterstützen.
Die Priorisierung der Umwelt fällt zwischen den Altersgruppen sehr unterschiedlich aus, heisst es in der Studie. Ein deutlicher Graben tut sich zwischen den Generationen auf. Nur 15 Prozent der über 75-Jährigen findet die Umwelt besonders unterstützenswert.
3. Sich selber am nächsten
In der Studie zeigt sich, dass die Menschen am liebsten für die eigene Region spenden. Die meisten Befragten würden am liebsten mit ihrem Geld regionale, dann schweizweite und erst zum Schluss ausländische Anliegen unterstützen.
Ähnlich wie bei der Hilfsbereitschaft im Alltag sind auch beim Spenden das Pflichtgefühl, die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts und das eigene gute Gefühl die wichtigsten treibenden Faktoren.
4. Hilfe vor Ort statt Asyl
Die Schweiz hat eine lange humanitäre Tradition. Diese ist seit jeher eng mit der Aufnahme von religiös und politisch Verfolgten verbunden. Dennoch werten nur 47 Prozent der Befragten diesen Aspekt als besonders wichtig. Die Aufnahme verfolgter Menschen wird in der Studie als weniger wichtig gewertet als die Entwicklungs- und Infrastrukturförderung sowie die Friedensförderung und Diplomatie.
Eine klare Mehrheit der Befragten, nämlich 79 Prozent, erachtet die Nothilfe bei Naturkatastrophen oder Konflikten als besonders wichtig.
5. Nachbarschaftshilfe hört bei finanzieller Hilfe auf
Die Unterstützung unter Nachbarn hatte während der Covid-19-Pandemie einen grossen Stellenwert. Zwei Jahre nach der letzten Befragung ist dieser sogar noch grösser geworden. 72 Prozent geben an, dass Hilfeleistungen wie das gegenseitige Versorgen von Pflanzen und Tieren oder das Leeren des Briefkastens in ihrer Nachbarschaft üblich sind.
Auch das Aushelfen mit Werkzeugen oder Lebensmitteln sei bei 58 Prozent der Befragten mittlerweile gängige Praxis. Soziale Anlässe, wie Einladungen zum Essen und insbesondere Nachbarschaftsfeste, gehören nach der Pandemie nun wieder vermehrt zum nachbarschaftlichen Zusammenleben.
6. Wer steht in der Pflicht? Jung und Alt sind sich uneins
Jüngere Menschen unter 36 fordern vom Sozialstaat als auch von allen Privatpersonen mehr Unterstützung für Menschen in Not. Die über 55-Jährigen fordern dies insgesamt weniger, sehen jedoch gemeinnützige Organisationen sowie die Familien und das Umfeld der Betroffenen mehr in der Pflicht. Diese unterschiedlichen Einschätzungen zeigen, dass in Ansätzen ein unterschiedliches Verständnis von Solidarität bei Jung und Alt vorhanden ist.
Während die ältere Generation die Verantwortung für Solidarität als Aufgabe der Gemeinschaft sieht, ist die jüngere Generation vermehrt der Meinung, diese Verantwortung liege beim Staat oder bei einzelnen Personen.