Als Stimme von DJ-Tracks sackt sie millionenfache Streaming-Zahlen ein. Ist in der Schweizer Streaming-Hitparade Monat für Monat auf den ersten Plätzen zu finden. Nur von Shania Twain, Tina Turner oder DJ Antoine geschlagen: Ilira, 29 Jahre alt, Songschreiberin, Sängerin aus dem Bernbiet mit einer unglaublich wandelbaren 4-Oktaven-Stimme (damit hat sie einen ähnlich grossen Stimmumfang wie Beyoncé oder Christina Aguilera).
Panikattacken statt Hochgefühl
Iliras bisherige Karriere liest sich auf den ersten Blick wie ein Pop-Märchen. Ein Pop-Märchen, das zeigt, dass heutzutage alles möglich ist. Mit dem nötigen Talent, dem Willen, dem Ziel vor Augen und ein wenig Glück. Prinz Pi spielt dabei Schicksal: Der Berliner Rapper entdeckt Songschnipsel des Berner Meitschis im Netz. Kurz darauf zieht die junge Frau in die deutsche Hauptstadt, schreibt Songs für andere, landet 2018 mit «Fading» und dem DJ Alle Farben einen Riesenhit. Tritt vor Tausenden von Menschen auf.
Auf dem Pop-Thron angekommen, erlebt sie nicht das erwartete Hochgefühl, sondern das Gegenteil: Sie hat Panikattacken. Ilira entschliesst sich, ihre Karriere in eine andere Richtung zu lenken. Sie will nicht nur mehr «die Stimme von», ein Feature-Name eines DJs sein, sondern eine eigenständige Musikerin. Dass sie mit eigenen Songs unter Umständen nicht mehr Millionenwerte auf Spotify erreicht, nimmt sie gerne in Kauf. Ihrer mentalen Gesundheit zuliebe.
Ein Alien und die nächste Britney Spears
Ilira weiss schon früh, dass sie Sängerin werden will. Die nächste Britney Spears. Ein Album des Popstars eröffnet ihr als Kind eine verheissungsvolle, neue Welt. Sie hat wenig Freunde, verkriecht sich oft in ihrem Zimmer. Die Kleine wird zum Britney-Double, kann die Songs der US-Sängerin auswendig. Beherrscht die Gestik und kann das Timbre aus dem Effeff imitieren.
Musik wird zu ihrer Offenbarung: Es ist der Ort, an dem sich die Bernerin ganz zu Hause fühlt. Anders sieht das gegen aussen aus. Als Kind kosovo-albanischer Eltern fühlt sie sich wie ein «Alien», immer ein wenig anders als die anderen.
Die heute 29-jährige Musikerin war aufmüpfig, rebellisch, setzte ihre Meinung und ihren Freiheitsdrang durch – bei den Eltern, in der Schule. Die Schule sei für sie die Hölle gewesen, sagt sie. Dass ADHS und Asperger der Grund dafür sind, wird ihr erst später in der Therapie wegen ihrer Panikattacken klar.
Ilira zieht ihr eigenes Ding durch
Die Musikerin mit Wohnort London weiss, was sie will - und was nicht. Mit dem bisher Erreichten, den DJ-Features hat sie ein regelmässiges Einkommen. Das Fundament, um ihr eigenes Ding weiter aufzubauen. Sie möchte eigene Konzerte geben, mit einem eigenen Repertoire auf Tour gehen.
Das ist ihr wichtig und das erklärte Ziel, damit ihr Pop-Märchen weitererzählt werden kann.
Der Weg zeigt bereits in die richtige Richtung. Mit dem Mini-Album, der EP, «Never Really The End» und den sechs emotionalen Songs gibt sie sich persönlich, lässt tief in ihrer Seele blicken, indem sie vom Auf und Ab des Lebens erzählt. Ein Zyklus, der nie aufhört, den man aber auch beeinflussen kann: So wie sie das für sich entschieden hat. Mit der nötigen Ruhe und Konsequenz.