Hui, 2020... du warst mir ja eine*r! Immerhin: Serien waren auch dieses Jahr unser konstanter Begleiter. Egal ob Lockdown, Quarantäne oder Internet-Drosselung: Die – immer zahlreicher werdenden – Streamingdienste beschenkten uns auch in den vergangenen zwölf Monaten wieder mit tausenden Stunden Seriengenuss. Unsere Sorgen zur Halbzeit , dass die Coronavirus-Pandemie die schier unersättliche Serien-Pipeline bald zum Austrocknen bringen könnte, haben sich bislang nicht bewahrheitet.
Höchste Zeit also, Bilanz über das Serienjahr zu ziehen und die besten Serien des Jahres zu küren. So wie wir das bereits 2015 , 2016 , 2017 , 2018 und 2019 gemacht haben.
Und ja, der Fokus unserer Bestenliste liegt einmal mehr auf englisch- und deutschsprachigen Serien. Wer uns dabei helfen möchte, unsere Blindspots zu überwinden, empfiehlt seine liebsten Dramaserien aus Israel und besten Comedyserien aus Frankreich direkt in der Kommentarspalte oder meldet sich bei unserem Film- und Serien-Podcast « Skip or Watch » in welchem die folgende Liste ausführlich besprochen wird.
20. «Feel Good», Season 1
Der Name ist Programm: Die Schmetterlinge im Bauch bekommen Ausflug. In sechs kurzen Episoden erzählt Stand-up-Komikerin Mae Martin den Beginn, die Mitte und das Ende (OR IS IT?) einer Beziehung.
Halbstündige Spielwiesen, für welche Komiker*innen eine «Carte Blanche» für all ihre sonderbaren Ideen bekommen, gab es in den letzten fünf Jahren zuhauf («Louie», «Master of None», «Shrill», «One Mississippi», etc.). Nicht alle sind sie gut, diese hier schon. (Netflix)
19. «Pen15», Season 2
Noch immer braucht es einen kurzen Moment bis man sich daran gewöhnt, dass sich die beiden über 30-jährigen Komikerinnen Maya Erskine und Anna Konkle in dieser Serie selbst spielen – als 13-jährige.
Sobald man – für sich – den Schalter umlegt, bekommt man erneut diesen wunderbar sentimentalen Mix aus Komik und bitterernsten Situationen serviert, wie sie einem nur während der Pubertät passieren können. Damals, als jede noch so kleine Veränderung das Ende der Welt bedeuten konnte, am nächsten Tag aber bereits alles wieder komplett anders aussieht.
Die vielleicht unangenehm ehrlichste Comedyserie des Jahres. Passend zum allgemeinen Groove des Jahres. (TVNOW Premium)
18. «Immigration Nation»
Razzien der berüchtigten «ICE»-Behörde (Immigration and Customs Enforcement), ausgewiesene Militärdienstleistende oder Asylsuchende, deren Gesuche an der Grenze zwischen den USA und Mexiko abgelehnt werden, obwohl sie nachweislich in ihrem Heimatland von Gangs und Banden verfolgt werden: Diese sechsteilige Dokuserie beleuchtet verschiedene Aspekte der mittlerweile (?) ziemlich verkorksten US-amerikanischen Immigrationspolitik, fühlt sich seit der Abwahl von Donald Trump (It's happening, oder?) allerdings schon fast wie ein Relikt aus vergangenen Zeiten an. (Netflix)
17. «Industry», Season 1
Wer auf die nächste Staffel von «Succession» wartet (letztes Jahr auf Platz 3 unseres Serienrankings), «darf» sich dank Covid-19 noch ein wenig gedulden.
In die Bresche springt «Industry», welches ebenfalls in der gnadenlosen Welt des Investmentbankings spielt, anstelle der Super-Duper-Rich-People den Fokus aber auf die Emporkömmlinge und (Noch-)Habenichtse richtet.
Der stylishe Look, der pulsierende Soundtrack und die nötige Prise Beziehungsdrama machen diese US-britische Koproduktion zu einem Serienhighlight der zweiten Jahreshälfte. (Sky Show)
16. «Cheer»
Egal ob euch Cheerleading interessiert oder nicht (wahrscheinlich das Letztere, right?), um diese sechsteilige Dokuserie sollte man keinen Bogen machen. Denn wer schaut schon nicht gerne Menschen dabei zu, wie sie zu hundert Prozent fokussiert ihrer Passion nachgehen?
«Cheer» ist ein faszinierendes Porträt einer Community, in der sich alles um – Surprise! – Cheerleading dreht. Und wer noch immer meint, dass Cheerleading nur daraus besteht, im Röckli ein paar Pompons zu schütteln, dürfte hier gewaltig auf die Welt kommen. (Netflix)
(An dieser Stelle müssen wir leider auch auf die schockierenden Vorwürfe gegenüber Jerry Harris, einem der zentralen Protagonisten der Serie, aufmerksam machen.)
15. «Ramy», Season 2
Auch in der zweiten Staffel seiner (semi?-)autobiografischen Serie macht sich Stand-up-Comedian Ramy Youssef erneut viele Gedanken darüber, was es bedeutet, in einer immer schnelllebigeren und vernetzteren Gesellschaft gläubiger Muslim sein zu wollen.
Für die zehn neuen Episoden bekommt Youssef zudem Unterstützung vom zweifachen Oscar-Gewinner Mahershala Ali, der mal wieder mit Understatement brillieren darf. (StarzPlay)
14. «Unorthodox»
Diese deutsche Netflix-Eigenproduktion ist keine Dokuserie – und trotzdem fühlt sich Esty Shapiros Flucht aus einer ultraorthodoxen jüdischen Community unangenehm echt an.
Da die Macherinnen einen möglichst originalgetreuen Einblick in das Leben und Sein dieser Community geben wollen, ist ein Grossteil des Dialogs der Serie in Jiddisch verfasst. Dieses Streben nach Authentizität ist zugleich die grösste Stärke dieser vierteiligen Miniserie.
«Unorthodox» erzählt seine Geschichte nüchtern, unaufgeregt und ohne den Drama-Regler unnötig fest nach rechts zu drehen. Nie packt die Serie den ermahnenden Zeigefinger aus – und gerade darum fährt das Gezeigte umso mehr ein. (Netflix)
13. «Little America», Season 1
«Little America» erzählt acht nicht zusammenhängende Geschichten von Immigrant*innen, die ihr Glück in den USA gefunden haben.
Dabei beruhen alle Geschichten auf wahren Begebenheiten und zeigen am Ende jeder Folge die Fotos der echten Protagonist*innen. Das dringend benötigte Gegenmittel zur leider alltäglich gewordenen Xenophobie, die stündlich neue Negativschlagzeilen schreibt. (Apple TV+)
12. «Visible: Out on Television»
In dieser fünfteiligen Dokuserie rollen berühmte Gesichter (u. a. Oprah Winfrey, Ellen DeGeneres, Sara Ramirez aus «Grey's Anatomy» und Neil Patrick Harris aus «How I Met Your Mother») die rund 70-jährige LGBT-Repräsentationsgeschichte mit Fokus aufs US-amerikanische Fernsehen auf.
Tolles Archivmaterial, zahlreiche Aha-Momente und der beste Beweis dafür, warum Fernsehen schon immer viel mehr als «hirnloses Geflimmer» war. (Apple TV+)
11. «ZeroZeroZero»
Ein internationaler Kokain-Deal bildet das herrlich unberechenbare Fundament für die aufregendste Serie des Jahres. Halsbrecherische Verfolgungsjagden durch die engen Strassen Montereys und Schiffskaperungen gehören bei dieser achtteiligen Miniserie, die auf einem Buch von «Gomorrah»-Autor Roberto Saviano basiert, zur Tagesordnung.
Wem 2020 zeitweise die Decke auf den Kopf zu fallen schien, dürfte es sich nach dem Genuss dieses kontinentübergreifenden Action-Feuerwerks zweimal überlegen, ob sie*er je wieder einen Fuss vor die eigene Türe setzen möchte. Zuhause ist's doch auch ganz schön! (Da ist man wenigstens sicher vor Überfallkommandos…) (Sky Show)
10. «The Mandalorian», Season 2
Die erste Staffel der ersten nicht animierten «Star Wars»-Serie zeigte auf, wie einfach der Weg des inhaltlich angeschlagenen «Star Wars»-Imperium aussehen könnte. Die soeben zu Ende gegangene zweite Staffel ist der Beweis, warum der eingeschlagene Weg der richtige ist.
Mit den acht neuen Folgen, welche auch «Star Wars»-Skeptiker*innen oder Abgesprungene ins Boot holen könnten, verknüpft «The Mandalorian» Gegenwärtiges mit Vergangenem aus verschiedensten Winkeln dieses gewaltigen Universums – und zwar höchst erfolgreich und ohne unnötig «nerdig» zu sein.
Übrigens scheint «This is the Way!» mittlerweile nicht nur das Motto der Hauptfigur, sondern auch der ganzen «Star Wars»-Maschinerie zu sein. Mutterkonzern Disney kündigte diese Woche an, aufgrund des Erfolgs von «The Mandalorian» über die nächsten paar Jahre anstatt Kinofilme etwa 10 (!) weitere «Star Wars»-Serien im gleichen Stil und Umfang präsentieren zu wollen. Möge das Disney+-Abo mit dir sein. (Disney+)
9. «The Crown», Season 4
Egal ob man schon immer die Namen von Elizabeth II. Cou-Cousins vierten Grades im Traum aufzählen konnte oder einem die Britischen Royals eigentlich nicht die Bohne interessieren: «The Crown» ist und bleibt ein faszinierendes Stück Seriengeschichte – und die vielleicht teuerste Seifenoper der Geschichte.
In der vierten Staffel gibt's die gewohnte Schwetti Prunk, Glamour, einzigartige Detailverliebtheit… und endlich die vielleicht tragischste königliche Liebesgeschichte der jüngeren Zeit, welche Serienautor und Royal-Experte Peter Morgan einmal mehr aus überraschenden Blickwinkeln erzählt.
Liebe Royal-Hater*innen: Es sind noch zwei weitere «Crown»-Staffeln in Planung… die fünfte Staffel soll allerdings erst 2022 kommen (mit komplett neuer Besetzung!). Ihr habt also noch genug Zeit, um über eure Schatten zu springen und aufzuholen. (Netflix)
8. «BoJack Horseman», Season 6b
2016 landete die Saga des alkohol- und drogenabhängigen, gescheiterten Hollywoodstars (der so ganz nebenbei Halb-Mensch/Halb-Pferd ist), auf Platz 1 unserer damaligen Serienliste. Rückblickend betrachtet dürfte die angesprochene dritte Staffel wohl auch der Höhepunkt von «BoJack Horseman» gewesen sein.
Was natürlich nicht heisst, dass «BoJack» kurz vor der Ziellinie ins Straucheln geraten wäre – im Gegenteil.
Auch für seine letzten acht Episoden bleibt «BoJack Horseman» eine aussergewöhnliche Serie über Depressionen, über das Verzeihen und darüber, wie und warum sich Freundschaften auseinander leben können. Ein würdiges Ende für eine der besten Animationsserien aller Zeiten. (Netflix)
7. «Mrs. America»
Eigentlich hätte die amerikanische Verfassung in den 1970er-Jahren den «Equal Rights Amendment»-Zusatzartikel erhalten müssen, welcher Frauen die gleichen Rechte wie Männern zusichern sollte. Dass es bis heute nicht so weit gekommen ist, liegt unter anderem an Phyllis Schlafly, welche durch diesen Zusatzartikel das traditionelle Familienmodell bedroht sah und mit einer Gruppe von konservativen Hausfrauen Stimmung gegen diese Verfassungsänderung machte.
Cate Blanchett, Rose Byrne, Elizabeth Banks und – hinter der Kamera – Dahvi Waller, welche bereits Teil des Autorenteams von «Mad Men» war, machen «Mrs. America» zu einer rasant erzählten und starbesetzten Geschichtsstunde mit ungewöhnlichem Format: Die neunteilige Miniserie erzählt zwar eine fortlaufende Geschichte, widmet dabei aber jeder feministischen Ikone dieser Ära – u. a. Gloria Steinem, Shirley Chisholm oder Bella Abzug – jeweils den Schwerpunkt einer einzelnen Episode. (Sky Show)
6. «How To with John Wilson», Season 1
Die Kamera ist John Wilsons ständiger Begleiter. Und zwar wortwörtlich. Der junge New Yorker filmt alles und jeden, mag es noch so kurios sein.
Für den US-Sender HBO setzte Wilson seine vermeintlich trivialen Alltagsbeobachtungen nun zu einer sechsteiligen Dokuserie zusammen. Das Resultat: schräg, urkomisch, und überraschend sentimental.
Zu Beginn einer jeden Episode setzt sich der introvertierte und scheue Filmemacher ein relativ einfaches Ziel: «Wie mache ich Small Talk?», «Wie koche ich das perfekte Risotto?». Wie er von diesen simplen Ausgangsfragen plötzlich an einer Messe für Gerüstbauer endet oder inmitten eines Verschwörungstheoretiker-Kongresses landet, kann man unmöglich beschreiben. Auf alle Fälle eine unerwartete Achterbahn der Gefühle. (Zurzeit nur auf halblegalem Weg verfügbar. Möglicherweise demnächst via Sky Show empfangbar.)
5. «Better Call Saul», Season 5
Auch in seiner fünften Staffel hat das «Breaking Bad»-Prequel nichts an Qualität eingebüsst. Im Gegenteil: Mit der vorletzten Staffel unserer Lieblingsserie 2018 , die letztes Jahr Pause machte, scheinen sich die bislang separat verlaufenden Storylines rund um Anwalt Jimmy und seine Partnerin Kim, respektive Problemlöser Mike, Drogenboss Gus und Familie Salamanca, nun dauerhaft überkreuzt zu haben. Endlich!
Bleibt nur zu hoffen, dass die Corona-Pandemie den Plänen für die sechste und letzte Staffel, die – Stand heute – im März 2021 in Produktion gehen soll , nicht allzu viele Striche durch die Rechnung macht.
Wobei die Crew rund um die beiden Serienautoren Vince Gilligan und Peter Gould ja seit Jahren einen dermassen guten und stilsicheren Job macht, dass sie wohl auch eine komplette Staffel auf dem Kopf und unter Wasser drehen könnte und das Resultat am Ende fantastisch wäre... (Netflix)
4. «The Last Dance»
Basketball, Olympia 1992, Spielsucht, Dennis Rodmans verrückte Eskapaden und mittendrin der garantiert beste Basketballspieler aller Zeiten (Sorry, LeBron), der mit gelb unterlaufenen Augen und einer Tequila-Flasche stets in Griffweite beweist, dass er die alten Rivalitäten nie begraben wird und auch 25 Jahre später noch immer gleich nachtragend wie zu seiner Aktivzeit ist.
Bislang unveröffentlichte Filmaufnahmen aus der letzten Saison, die Michael Jordan mit den Chicago Bulls absolvierte, bilden das Fundament für eine wunderschöne Zeitreise in die 90er-Jahre. Damals im April, mitten im ersten Lockdown, als sämtliche Sportligen der Welt pausieren mussten, erreichte uns diese zehnteilige Miniserie zum absoluten richtigen Zeitpunkt. Eskapismus pur. (Netflix)
3. «Normal People»
«Normal People» oder auch: «Zwei heissen Iren dabei zuschauen, wie sie sich ineinander verlieben und Sex haben. Viel Sex.»
Die Geschichte von Marianne und Connell war die vermutlich schönste Romanze des Jahres. Dank der hervorragenden Buchvorlage von Starautorin Sally Rooney (a.k.a. die einzige Autorin, welche Millennials wirklich versteht), ging diese zwölfteilige Miniserie aber auch stets einen Schritt weiter und tiefer als man es bei dieser Art von Geschichte erwarten würde.
Die beiden Hauptdarsteller*innen Paul Mescal und Daisy Edgar-Jones –bislang völlig unbekannt – dürften dank dieser Serie völlig zurecht zu grossen Stars werden. (StarzPlay)
2. «I May Destroy You»
Die junge Schriftstellerin Arabella bekommt in einem Club K.O.-Tropfen verabreicht und wird anschliessend vergewaltigt. Vermutlich. Aufgrund ihres Filmrisses kann sich Arabella nämlich an gar nichts erinnern.
«I May Destroy You» beginnt mit der Rekonstruktion dieser verhängnisvollen Nacht. Auf diesem steinigen Weg öffnet die zwölfteilige Miniserie dann aber weitere Fässer, welche dringend geöffnet werden müssen: Vorurteile, Diskussionen über das Konzept von Einwilligung innerhalb sexueller Beziehungen, Mobbing, institutioneller Rassismus, Drogenkonsum, Privilegien. Die Liste lässt sich endlos fortsetzen. (Erwerbbar via Sky Store)
«I May Destroy You» ist zwar nicht die erste Serie, mit welcher die brilliante Serienautorin und Hauptdarstellerin Michaela Coel autobiografische Details in eine fiktive Serie hineinfliessen lässt, aber die bislang gelungenste Umsetzung davon. Grandios und wichtig. (Sky Show)
1. «The Queen's Gambit»
Der grossartige Soundtrack… die perfekt aufeinander abgestimmten Kostüme und Kulissen (und Tapeten!)… das makellose Schauspiel von Anya Taylor-Joy… Es gibt tausend Gründe, welche diese siebenteilige Miniserie über eine junge Schachspielerin – später Grossmeisterin –, die in den 1960er-Jahren die männerdominierte Schachwelt aufwiegelt, zur besten Serie des Jahres machen.
Für alle, die in den letzten drei Wochen kein einziges Mal «Schachbrett günstig kaufen» gegooglet haben, kommt nun noch der 1001. Grund: «Queens Gambit» ist der beste Sportfilm seit einer halben Ewigkeit.
Und wenn wir etwas in diesem bescheuerten Jahr gebraucht haben, dann, mit einem Underdog mitfiebern zu dürfen. Und zuzuschauen, wie sie dem Schicksal trotzt und schlussendlich triumphieren darf, obwohl ihre Chancen anfänglich überhaupt nicht gut aussehen. (Netflix)
Ohne Ranking: «Small Axe»
Mit einem BBC-Blankoscheck dreht Meisterregisseur Steve McQueen («12 Years a Slave») fünf inhaltlich nicht zusammenhängende, aber thematisch verknüpfte Filme, die an fünf aufeinanderfolgenden Sonntagen auf «BBC one» im Fernsehen gezeigt werden.
Ob das jetzt eine Serie ist, oder fünf Filme, darüber lässt sich streiten. Verdammt sehenswert ist «Small Axe» so oder so. (BBC one)