Es ist Freitagabend, Spätschicht in der Notaufnahme des Kinderspitals St. Gallen. Seit Monaten schiebt das Notfall-Team immer wieder Zusatzschichten, weil sowohl Ärzte- als auch Pflegefachpersonal fehlt. «Es ist ein Riesendruck, den die Leute an der Front aushalten müssen», sagt Ivo Iglowstein, leitender Arzt des interdisziplinären Kindernotfalls.
Kinder- und Hausarztpraxen verweisen an Notfall
Innerhalb der letzten zehn Jahre habe sich bei ihnen die Anzahl der Notfälle verdoppelt, sagt das Kispi St. Gallen. Ausschlaggebend dafür seien vor allem Veränderungen bei den Kinder- und Hausarztpraxen, sagt der leitende Arzt des Notfalls. «Wir stellen fest, dass Kinder- und Hausarztpraxen überlastet sind und Patientinnen und Patienten häufig direkt an den Notfall verweisen.»
Zudem fehle es in gewissen Regionen an Grundversorgern. Und es gebe viele, die die sogenannte kleine Traumatologie nicht mehr ausführen, erklärt der leitende Arzt.
Bagatellfälle landen in den Notaufnahmen
Das heisst: Kleine, chirurgische Eingriffe, wie zum Beispiel eine Platzwunde nähen, welche früher jede Hausarzt- und Kinderarztpraxis gemacht habe, würden heute bei ihnen landen, sagt Iglowstein. Die Praxen seien dafür nicht mehr ausgerüstet, was politisch gewollt sei. Das hat zur Folge, dass eigentliche Bagatellfälle in der Notaufnahme behandelt werden müssen.
Diese Zahlen seien deutlich angestiegen, sagt das Spital. Dass Patientinnen und Patienten häufig unnötig auf die Notfallstation rennen, will der Leiter des Kispi-Notfalls nicht bestätigen. Es fehle viel mehr an einer ausreichenden Grundversorgung, und die Überlastung der Praxen kumuliere dann bei ihnen im Spital.
Mehr Notfälle, zu wenig Personal
Fürs Personal in den Notaufnahmen ist die Situation seit Monaten belastend: immer mehr Notfälle, zu wenig Personal. Sowohl Pflegepersonal als auch Ärztinnen und Ärzte des Kispi-Notfalls in St. Gallen sprechen von einer hohen Drucksituation. Sie bräuchten dringend Entlastung.
Ausreichend oder gar zusätzliches Personal lasse sich aber derzeit gar nicht rekrutieren, sagt Ivo Iglowstein, der leitende Arzt des interdisziplinären Kindernotfalls in St. Gallen. «Die Leute an der Front werden in solch einer Situation schlicht verheizt.»
«Die Sicherheit ist allmählich nicht mehr gewährleistet»
Der sichere Betrieb der Notaufnahme sei unter diesen Umständen derzeit gefährdet, sagt der Leiter des Kispi-Notfalls St. Gallen. «Wir haben immer Phasen, wo wir sagen müssen, eigentlich ist es so schwierig, einen Notfall weiterzubetreiben. Die Sicherheit ist nicht mehr rund um die Uhr für alle Patienten gegeben.»
In dem Sinne, meint Iglowstein, dass jederzeit klar sein müsse, wie es jedem Patienten und jeder Patientin gehe. Mit umsichtiger Planung versuche man dies aufzufangen, und das Team gebe immer wieder alles und noch mehr. Im April 2023 – so geht das Spital derzeit davon aus – seien bei ihnen erstmals seit Langem wieder alle Stellen besetzt.