An der einst spiegelglatten Fassade sind unzählige Satellitenschüsseln montiert, an den geöffneten Fenstern erkennt man im Innern Wäscheleinen. Auf dem mit einem hohen Sicherheitszaun abgesicherten Vorplatz türmen sich alte Möbel, spielen Kinder, waschen Frauen von Hand Hosen und T-Shirts in Plastikbottichen.
«Den Palast des Friedens» habe ich vor einigen Jahren bei einer Reportage für die «Rundschau» das erste Mal besucht. Schnell musste ich feststellen, dass der hoffnungsvolle Name eine sarkastische Ironie birgt. Denn jener Palast, der «Palazzo Salam», steht für die dunkle Geschichte jüngerer italienischer Flüchtlingspolitik.
Flüchtlingsstatus, aber wenig Hilfe
Wer hier wohnt, geniesst politischen Flüchtlingsstatus: Eritreer, Somalier, Äthiopier – ihre Herkunftsländer standen einmal für den kurzen italienischen Kolonialstolz. Ihre Vergangenheit sorgt dafür, dass das ehemalige «Mutterland Italien» sich zumindest politisch noch für die Bevölkerung aus diesen ostafrikanischen Ländern einsetzt und seit Jahrzehnten eine grosszügige Asylpolitik praktiziert. Doch darüber hinaus erhalten diese Menschen keinerlei weitere Hilfe. Der italienische Staat beweist hier wieder einmal, dass er weder für die eigene Bevölkerung, geschweige denn für Dritte sorgen kann.
Eine Toilette für 100 Männer
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Und so habe ich Menschen kennengelernt, die seit Jahren zwar offiziell in Italien leben – mit gültigen Papieren, aber ohne Chance auf einen Job, ohne Möglichkeit auf Fortbildung. Sie vegetieren «selbstverwaltet» in diesem ehemaligen Bürohaus. 100 Männer teilen sich eine Toilette und zwei Duschen, unter hygienischen Zuständen, die auch in Addis Adeba, Mogadischu oder Asmara inakzeptabel wären.
Hier habe ich die Vorgeschichte dessen gesehen, was Europa mit Italiens Flüchtlingspolitik 2014 durchmachen musste und vielleicht auch 2015 wird durchmachen müssen: Das völlige Versagen staatlicher Strukturen, die Kluft zwischen Können und Wollen italienischer Politik: In einem ersten Schritt nimmt Italien einerseits grosszügig Flüchtlinge auf, überlässt sie dann aber völlig ihrem Schicksal, wollend oder unfähig, sich der eigenen Verantwortung durch die Aufnahme bewusst zu sein.
Als «Dublin-Fälle» zurück nach Italien
Nicht zufällig habe ich im «Palazzo Salam» viele Menschen getroffen, die mehrmals schon in der Schweiz waren. Erst zu Besuch bei Freunden, dann illegal. Denn auch wenn sie in Italien schutzberechtigt sind, dürfen sie sich im übrigen Schengen-Europa nicht mehr als drei Monate aufhalten. Das gilt auch in der Schweiz. Doch viele tauchen unter, werden von den Behörden erfasst und als «Dublin-Fälle» wieder nach Italien zurückgeschickt. Viele im «Palazzo Salam» kennen deshalb den Stadtplan von Zürich, Basel, Genf oder Bern nur zu gut. Dort würden sie tausendmal lieber leben als hier, vergessen, am Stadtrand Roms.
Die gute Seele
Ein Kontrapunkt in dieser traurigen Geschichte: Donatella D’Angelo, Hausärztin und Präsidentin des Hilfsvereins «Palazzo Salam». Einmal pro Woche kommt sie mit ihrem Team freiwilliger Helfer und bietet den Einwohnern des selbsternannten Flüchtlingswohnheims kostenlose medizinische Hilfe an. Unbürokratisch schreibt sie die Männer, Frauen und Kinder in die staatliche, italienische Krankenversicherung ein und garantiert ihnen damit nicht nur ärztliche Betreuung sondern auch ein Bett im Krankenhaus.
Zur Autorin des Films
Chiara Sambuchi wurde 1975 in Italien geboren uns lebt seit 15 Jahren in Berlin, wo sie als freie Autorin und Regisseurin arbeitet. Sie studierte klassische Gitarre, Philosophie und Filmwissenschaft in Italien und Deutschland. Für ihren Film «Meine Welt hat Tausend Rätsel» über das Leben einer Autistin, erhielt sie den ersten Preis der Axel Springer Akademie. Ihre Dokumentarfilme «Wrong Planet», «Good morning Africa!», «Die Stadt der Frauen – Heute» wurden ebenfalls ausgezeichnet und auf internationalen Festivals mit Erfolg aufgenommen.