Hunderte Migranten sind nach ihrer Rettung durch die italienische Küstenwache von einem führerlosen Frachter in Italien an Land gegangen. Die etwa 360 Flüchtlinge, unter ihnen viele Kinder und schwangere Frauen, stammen überwiegend aus Syrien. Sie konnten am frühen Samstagmorgen im kalabrischen Corigliano Calabro den Frachter «Ezadeen» verlassen.
Die Flüchtlinge wurden medizinisch betreut und danach in Aufnahmelager gebracht. Sie waren bei der Fahrt über das Meer von Schleusern auf dem Frachter ohne Besatzung ihrem Schicksal überlassen worden.
«Triton» erfüllt Erwartungen nicht
Der zweite Vorfall dieser Art binnen weniger Tage hat Diskussionen über diese neue Methode der Menschenschmuggler-Banden ausgelöst. Seit September sei ein Trend zum Einsatz von Frachtschiffen zu beobachten, um «die Zahl der Flüchtlinge auf den Booten zu erhöhen», sagte Carlotta Sami, die Sprecherin der UN-Flüchtlingsorganisation UNHCR für Südeuropa, der Zeitung «La Repubblica». Mit dem Ende des italienischen Rettungseinsatzes «Mare Nostrum» wachse der Druck auf Länder wie die Türkei und Griechenland.
Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, nannte es einen grossen Fehler, dass «Mare Nostrum» vom Einsatz «Triton» abgelöst wurde, der von der EU-Grenzschutzagentur Frontex koordiniert wird. Nun werde den gut organisierten Schleusern das ganze Mittelmeer überlassen, und nur in Küstennähe wird Europa aktiv, sagte Wendt dem «Handelsblatt».
«Die Europäische Union wäre gut beraten, in den (Mittelmeer-)Anrainerstaaten mit Verhandlungen, Anreizen und Beratung dafür zu sorgen, dass Flüchtlinge möglichst gar nicht erst diese Schrottkähne besteigen können. Asylbegehren könnten ausserhalb der EU vorgeprüft werden», sagte Wendt.
Dramatische Rettung
Italiens Küstenwache hatte den fast 50 Jahre alte Viehtransporter «Ezadeen», der unter der Flagge Sierra Leones fuhr, am Donnerstagabend entdeckt. Mit hunderten Migranten an Bord trieb das Schiff manövrierunfähig vor der italienischen Küste. Der Treibstoff war ausgegangen und die Besatzung hatte den Frachter verlassen.
In einer dramatischen Rettungsaktion seilten sich die Einsatzkräfte von einem Helikopter auf das Schiff ab. Anschliessend wurde es zur Küste geschleppt.
«Die Frachter müssten eigentlich sicherer sein als die kleinen Boote», erklärte Sami. «Aber es handelt sich um alte Schiffe ohne elektronische Ausrüstung oder Radar. Das erhöht das Risiko von Tragödien.»
Auch die Küstenwache warnte vor der Gefahr führerloser Frachter auf Autopilot für andere Schiffe. Bereits am Mittwoch hatten die italienischen Behörden den Frachter «Blue Sky M» mit knapp 800 Menschen an Bord auf hoher See gestoppt und die Menschen gerettet.