Wildbienen, Eidechsen, Schmetterlinge. Nicht nur Rebecca und Silas Wüthrich fühlen sich in ihrem Garten im aargauischen Villigen wohl. Beim Einzug vor zwei Jahren investierten Wüthrichs viel Geld, um den Garten naturnah umzugestalten: Eine Trockensteinmauer, um den rutschenden Hang aufzuhalten und Kleintieren Unterschlupf zu bieten. Darüber eine Magerwiese mit einheimischen Blumen.
Doch: Vor einem Jahr verlangte die Gemeinde für die Umgestaltung plötzlich eine Baueingabe. Damit haben Wüthrichs nicht gerechnet. Nachdem sie sich im Internet erkundigt hatten, gingen sie davon aus, dass es dafür keine Baubewilligung braucht.
Trockensteinmauer bietet Kleinstrukturen
Am Rande der Stadt Zürich zeigt Jonas Landolt eine grosse Trockensteinmauer. Mit seinem Verein «Natur im Siedlungsraum» fördert er Projekte für mehr Biodiversität. «Trockensteinmauern sind besonders wertvoll, denn sie haben überall Spalten, in denen sich die Tiere verkriechen können», erklärt der Umweltnaturwissenschaftler. Wildbienen machen darin ihre Brutzellen, andere Arten wie Ringelnattern oder Gelbbauchunken überwintern in den frostsicheren Hohlräumen.
Paradox: Ökologisch sinnvolle Bauten wie Trockensteinmauern oder Biotope brauchen in der Regel eine Bewilligung. Schottergärten, die im Trend sind, aber ökologisch nutzlos, sind praktisch überall ohne Behördengang erlaubt. Da braucht es ein Umdenken bei den Behördenauflagen, fordert Naturschützer Landolt: «Betonwüsten, Schottergärten oder Neophyten – also nicht einheimische Pflanzen – davon können unsere Tiere nicht leben. Da müssen wir uns nicht wundern, wenn Arten verschwinden.»
Grosser Handlungsbedarf
Die Schweiz steht in Sachen Biodiversität sogar noch schlechter da als viele andere europäischen Länder. Naturschutzorganisationen wie Birdlife haben deshalb vor kurzem zwei Initiativen für mehr Biodiversität eingereicht. Für Raffael Ayé von Birdlife ist der Handlungsbedarf gross, auch bei den Vollzugsbehörden: «Es gibt viele Gemeinden, die haben nicht mal einen Beauftragten für Umweltschutz.»
SRF «Mission B»
Gemeinde verlangt Baueingabe
Seit zehn Monaten warten Wüthrichs nun schon auf den Entscheid. Mündlich hat man ihnen bereits angekündigt: Die neu gebaute Trockensteinmauer, die in einer Landwirtschaftszone steht, werden sie wohl zurückbauen müssen. Silas Wüthrich ist besorgt: «Wenn man mit einem Bagger durch die Wiese fahren müsste, um die Steine wieder abzutransportieren, ginge auch die Magerwiese kaputt.»
Naturschutz kein Vorrang
Da es sich um ein laufendes Verfahren handle, will der Kanton Aargau keine Stellung nehmen. Er schreibt «Kassensturz»: «Natur und Landschaft kommen im Kanton Aargau eine hohe Bedeutung zu. Dies kann allerdings nicht zur Folge haben, dass der Erhalt jeglichen Naturwerts Vorrang vor anderen Rechtsgütern hat.»
Silas Wüthrich ärgert sich: «Wir haben uns sehr bemüht, etwas Naturnahes zu machen. Und das Ganze wird so wieder kaputt gemacht, ohne dass sich die Leute ein Bild vor Ort gemacht haben.»