Das Wichtigste in Kürze
- Ausgerechnet Bio-Früchte und Gemüse sind oft in Plastik verpackt – ein Ärger für Bio-Käufer.
- Das sogenannte «smart branding» könnte in vielen Fällen das Plastik ersetzen. Dabei markiert ein Laser die Schalen von Obst- und Gemüse mit einem Logo.
- Verschiedene Grossverteiler im Ausland machen damit gute Erfahrungen. Schweizer Grossverteiler «prüfen» die Methode, zeigen sich aber noch skeptisch.
- Greenpeace kritisiert, dass Schweizer Grossverteiler generell zu wenig gegen Plastik-Verpackungen unternehmen.
Rüebli im Säckli, eingeschweisste Gurken oder das Sechserpack Äpfel in Karton und Folie: Ausgerechnet Bio-Früchte und -Gemüse sind bei den Grossverteilern häufig in Plastik verpackt. Das ärgert viele Konsumenten. Denn zu «Bio» greift man auch, um die Umwelt zu schonen. Da passt das viele Plastik schlecht.
Gesetz verlangt spezielle Bio-Markierung
Wieviel Plastik- und Verpackungsmaterial Coop und Migros für Bio-Obst und -Gemüse verwenden, ist unklar. Diese zahlen würde man nicht erheben, so Coop. Bei Migros will man dazu schlicht «keine Angaben» machen, wie es auf Anfrage von «Kassensturz» heisst. Nötig sind die Verpackungen, Sticker oder Banderolen, weil das Gesetz verlangt, dass Bio-Produkte als solche markiert werden. Dies, um sie von konventioneller Ware abzugrenzen.
Laser-Gravur ersetzt viel Plastik
Eine neuere Methode macht Plastik-Verpackungen jedoch in vielen Fällen überflüssig. Beim sogenannten «smart branding» markiert ein hochauflösender Laser die Haut oder Schale von Früchten und Gemüse.
Das Laserlicht löst dabei die Pigmente aus der Oberfläche der Frucht oder des Gemüses. Der Vorgang schade dem Produkt nicht: «Die Markierung bleibt auf der Oberfläche der Schale, auf dem Fruchtfleisch sieht man nichts», sagt Michaël Wilde, Nachhaltigkeitsverantwortlicher der holländischen Firma Eosta.
Das Unternehmen ist einer der grössten Händler von Bio-Obst und -Gemüse in Europa. Eosta hat als erste auf die Branding-Technik gesetzt. Und die Methode zusammen mit den Herstellern der Lasergeräte zur Marktreife gebracht.
Nach wie vor verpackt man hier einen Teil der Ware in Plastik – weil dies von vielen Abnehmern immer noch gewünscht wird. Doch mittelfristig will Eosta von Plastikverpackungen möglichst wegkommen: «Es ist wirklich Blödsinn, dass wir so viel Früchte und so viel Gemüse in Plastik verpacken», bringt es Wilde auf den Punkt.
Laser-Tattoo spart viel Plastik ein
Das Licht-Tattoo funktioniert mittlerweile auf vielen Obst- und Gemüsesorten. Seit einigen Monaten auch auf Citrusfrüchten. Sechs Jahre habe man am System getüftelt, so Wilde. Seit knapp zwei Jahren sind solche Produkte auch im Markt erhältlich. Er schätzt, dass rund 60 Prozent des Plastiks bei Bio-Obst und -Gemüse damit eingespart werden könnten.
Bei einigen Produkten sei eine Plastik-Verpackung nach wie vor sinnvoll, etwa um die Haltbarkeit zu verlängern. Doch bei vielen eben nicht. Allein bei Eosta kann mit der neuen Methode viel Plastik eingespart werden: «Wir können damit heute 2500 Kilometer Plastikfolie einsparen. Das entspricht einem CO2-Ausstoss, wie wenn man 100 Mal um die Welt fahren würde mit dem Auto.»
Kommt hinzu: Die Laser-Gravur macht das Gemüse nicht teurer. «Eine Lasermaschine kostet einen Haufen Geld. Aber die Folie kostet auch Geld. Schlussendlich haben wir den gleichen Preis für unsere Kunden», betont Michaël Wilde.
Schweizer Grossverteiler zeigen kaum Interesse
Bei Schweizer Grossverteilern sucht man gebrandetes Obst und Gemüse vergeblich. Das Thema scheint so heikel, dass sich Coop und Migros vor der «Kassensturz»-Kamera nicht zum Thema äussern wollen, und auch keine aktuellen Aufnahmen von Obst- und Gemüseauslagen erlauben.
Coop schreibt, man finde die Methode spannend und prüfenswert. Derzeit würden aber Erfahrungswerte zur Haltbarkeit der Produkte fehlen. Im Sommer hatte Coop zwar eine gebrandete Melone testhalber im Angebot, um Plastik einzusparen will Coop aber andere Wege beschreiten: «Wir werden unsere Bio-Früchte und unser Bio-Gemüse bis Herbst 2019 unverpackt oder mit einer ökologischen Verpackung anbieten. Wichtig ist dabei, dass die Alternativen eine bessere Ökobilanz aufweisen als die bisherigen Verpackungen.»
So hat Coop bereits für Zwiebeln Nylonnetze durch solche aus Zellulose ersetzt und bietet den Bio-Wirz neu ohne Plastikfolie an. Beim Sechserpack Bio-Äpfel wurde die Verpackung mittels sogenanntem «Graspapier» ökologisch optimiert.
Migros gegenüber Smart-Branding skeptisch
Auch Migros nimmt nur schriftlich zum Thema Stellung: «Die Migros verkauft heute schon viele Bio-Produkte unverpackt: Nektarinen, Melonen, Avocados, Orangen und weitere Früchte/Gemüse werden entweder mit einem Sticker oder Banderolen versehen. Solche Lösungen werden weiter vorangetrieben.» Gegenüber dem Branding ist Migros skeptisch. Eigene Tests hätten gezeigt, dass einzelne Produkte unter der Gravur gefault hätten.
Mehrere europäische Grossverteiler setzen auf Branding
Eine Kritik, die Michaël Wilde vom holländischen Bio-Händler Eosta nicht nachvollziehen kann: «Sechs Jahre lang haben wir die neue Technik getestet. Mit sehr guten Erfahrungen in Deutschland, Schweden, Österreich und Belgien – ohne Qualitätsprobleme bei den Produkten.»
Inzwischen bieten zehn Grossverteiler in fünf europäischen Ländern Obst und Gemüse mit Laser-Gravur an. Darunter auch der grösste deutsche Lebensmittelverkäufer Edeka. Die Erfahrungen nach mehr als einem Jahr würden zeigen, dass «Geschmack, Haltbarkeit und Optik der Produkte einwandfrei bleiben». Edeka will mit Branding jährlich 50 Tonnen Verpackungsmaterial einsparen.
Kunden reagieren positiv
Ähnlich tönt es auch seitens des schwedischen Detailhändlers ICA und des belgischen Delhaize. Dieser bietet rund 20 Produkte mit Branding an. Damit habe man auf ein Kundenbedürfnis reagiert, wie Sprecher Roel Dekelver gegenüber «Kassensturz» erklärt: «Einerseits hatten wir viele Anfragen von Kunden, die Bio-Produkte kaufen und die keine überflüssige Verpackungen wollen. Andererseits sieht man, dass die Öffentlichkeit immer mehr an Lösungen interessiert ist, um Plastikverpackungen zu vermeiden».
In Holland tüftelt man inzwischen weiter an der Branding-Methode. Michael Wilde vom Bio-Händler Eosta hofft, dass auch Schweizer Anbieter bald darauf umsteigen: «Wir versuchen immer im Gespräch zu sein mit den Grossverteilern und zu erklären, dass es eigentlich sehr gut klappt mit dem Branding und dass wir den Plastik gar nicht benötigen.» Doch sei dies ein langer Prozess. Michael Wilde gibt nicht auf und ist überzeugt: «Ich denke, in fünf Jahren ist fast alles natural branding und das Plastik ist weg.»
Greenpeace: Schweizer Grossverteiler sind zu wenig transparent
Rund ein Drittel des gesamten Haushalt-Abfalls geht auf das Konto von Verpackungen. Man begrüsse deshalb Anstrengungen der Grossverteiler, Verpackungsmaterial in gewissen Bereichen einzusparen, sagt Marco Pfister von Greenpeace Schweiz: «Wenn sie aber gleichzeitig in anderen Bereichen – wie zum Beispiel der Convenience – viel mehr Plastik einsetzen, dann ist nicht klar, ob sie unter dem Strich einen Schritt vorwärts machen.»
Greenpeace wollte in einer Umfrage wissen, was die Grossverteiler zur Einsparung von Plastik und anderem Verpackungsmaterial unternehmen. Fazit: Kein einziger der Grossverteiler war bereit Auskunft zu geben, wie viel Plastik und andere Verpackungsmaterialien er tatsächlich gesamthaft verbraucht. Das sei erstaunlich: «Denn wenn sie tatsächlich so gut sind, wie sie behaupten, sollten sie doch auch bereit sein, transparent Auskunft zu geben», so Marco Pfister, und weiter: «Solange sie keine Auskunft geben wollen, müssen wir davon ausgehen, dass sie einfach viel zu wenig machen.»
Migros und Coop weisen Kritik zurück
Coop weist diese Kritik zurück. Man habe in den letzten Jahren bei der Vermeidung von Plastik und Verpackungen sehr grosse Fortschritte gemacht. Und man stehe im Austausch mit Greenpeace und informiere weiterhin transparent.
Auch Migros will die Kritik von Greenpeace so nicht stehen lassen: «Seit 2011 hat die Migros knapp 10‘000 Tonnen Verpackungen ökologisch optimiert. Dieses umfangreiche Engagement haben wir Greenpeace aufgezeigt und ihnen im Sinne der Transparenz auf vertraulicher Basis weitere zahlreiche Daten und Zahlen geliefert.»
Greenpeace-Bericht:
Dieser Darlegung widerspricht Greenpeace: «Migros und Coop haben uns lediglich gewisse Angaben zu den Eigenmarken zugestellt», betont Marco Pfister von Greenpeace. Wirklich interessant wären aber die Daten zum gesamten Sortiment und der Verpackungen.
Wer welche Daten im Detail preisgibt, ist im Greenpeace-Bericht im Detail nachzulesen (siehe Linkbox).