Hiobsbotschaft nach dem ersten Besuch des Schulzahnarztes im Kindergarten: Ein sechsjähriger Bub verkündet daheim, er habe acht Löcher. Die Eltern sind schockiert und erstaunt. Denn sie putzen ihren Kindern regelmässig gründlich die Zähne. Süsses gebe es nur in absoluten Ausnahmefällen. Und sie hätten sich eingehend mit dem Thema befasst und sich aufgrund von Informationen in Elternforen für eine besonders gesunde Kinderzahnpasta entschieden, für eine ohne Fluorid.
Die Kinderzahnärztin ist wenig erstaunt über den Befund. Sie behandelt die Karies schliesslich unter Vollnarkose. Der Vater des Jungen ärgert sich nun: «Diese fluoridfreien Zahnpasten werden als vollwertige Ersatzprodukte für die herkömmlichen Zahnpasten angepriesen.» Ihm fehle ein entsprechender Warnhinweis.
Produkte weisen auf «ausreichende Fluoridzufuhr» hin
Das SRF-Konsumentenmagazin «Espresso» schaut sich die verschiedenen Produkte in den Läden an, auch die Zahnpasta der jungen Familie von Lavera, welche unter anderem in der Migros erhältlich ist. Darauf ist der Hinweis zu lesen: «Empfohlen bei ausreichender Fluoridversorgung». Was aber heisst das?
Florian Wegehaupt ist bei der Schweizerischen Zahnärztegesellschaft SSO für Fragen rundum Fluorid zuständig. Er sagt, solche Zahnpasten eigneten sich dann, wenn man auch noch andere Fluoridquellen anzapfe: «Etwa Mundspülungen, fluoridiertes Speisesalz oder Fluorid-Tabletten für Kinder.» Und natürlich, wenn jemand beim gründlichen Putzen sämtliche Bakterien wegschrubbe, dann könne auch keine Karies entstehen. Aber das sei, gerade bei Kindern, fast unmöglich.
Lavera schreibt «Espresso»: «Unser Lavera Kids Zahngel fluoridfrei für Milchzähne mit Bio-Calendula und Calcium entfernt wissenschaftlich belegt Zahnbelag, beugt Karies vor und schützt das Zahnfleisch der Kleinen.» Karies habe generell viele Ursachen und «eine pauschale Aussage, fluoridfreie Zahnpflege sei die Ursache für Karies an Milchzähnen, ist daher nicht korrekt.»
Die Angst vor Fluorid – fälschlicherweise als Fluor bezeichnet
Die Skepsis gegenüber Fluorid geistere seit Jahrzehnten durch die Gesellschaft und habe mit Social Media wieder einen Auftrieb erhalten, sagt Zahnarzt Florian Wegehaupt von der SSO. Es beginne schon mit der Verwechslung der Begriffe: «Fluor ist ein hochgiftiges Gas, Fluorid ist eine Verbindung mit Fluor und dann eben nicht mehr giftig.»
Er vergleiche das jeweils mit dem Chlorid, oder Natriumchlorid-Kochsalz, welches ungiftig ist. Chlor hingegen ist ein hochgiftiges Gas. Und natürlich sei es auch beim Fluorid so, dass die Dosis das Gift ausmache. Dafür gebe es aber ja genau die Kinderzahnpasten, welche für die Kleinen wohldosiert seien.