Eine Seniorin muss für Cortisonspritzen gegen ihre Schmerzen alle paar Monate zum Rheumatologen nach Zürich. Im November muss sie zwei Termine kurzfristig absagen. Sie fühlt sich unwohl.
Kurz darauf erhält sie zwei gesalzene Rechnungen über 984 Franken. Darauf sind alle Tarifpunkte verrechnet, so als ob die Konsultationen tatsächlich stattgefunden hätten – von «Konsultation, erste 5 Min.» bis «nicht formatierter Bericht, 11 bis 35 Zeilen Text». Als Behandlungsgrund steht «Krankheit». Kein Wort von verpassten Konsultationen.
Beschwerde bei der Arztpraxis bringt nichts
Um die Rechnungen der Seniorin kümmert sich ihre Tochter. Für sie wäre es in Ordnung gewesen, wenn der Arzt für die Absagen eine kleinere Pauschale verrechnet hätte. «Jedoch so zu tun, als ob zweimal eine Behandlung stattgefunden hätte und dadurch viel mehr zu kassieren, das halte ich ganz einfach für Betrug», schreibt sie dem SRF-Konsumentenmagazin «Espresso».
Als sie sich darüber beschwerte, habe die Praxisassistentin die Rechnungen als «Goodwill» des Arztes dargestellt. «So könne meine Mutter sie an die Krankenkasse weiterleiten. Die verpassten Konsultationen hätte sie selbst bezahlen müssen.» Ein solches Vorgehen ist für die Frau inakzeptabel.
Arzt wiegelt ab
«Espresso» bittet den Arzt um eine Stellungnahme. Dieser meldet sich zunächst bei der Tochter der Patientin und diskutiert über den Preis. In seiner Stellungnahme schreibt er dann: «Wie ich der Frau am Telefon mitgeteilt habe, wird ihre Mutter für die zwei sehr kurzfristig abgesagten Termine in meiner Sprechstunde keinen Rappen zahlen müssen.» Es folgt eine abenteuerliche Erklärung: «Meinerseits war zu keinem Zeitpunkt die Rede, dass die von mir an die Patientin gesendete Rechnung an die Krankenkasse weitergeleitet werden könne und von dieser übernommen werde.»
Er habe mit der Rechnung lediglich aufzeigen wollen, was durch nicht Einhalten von vereinbarten Arztterminen unter Umständen für ein «grösserer Schaden» für den Arzt entstehen könne. «Mein Fehler war es, dass ich zur verschickten Rechnung keinen Begleitbrief mit der von mir geschilderten Vorstellung beigelegt hatte.»
FMH: «Diese Rechnung ist nicht gesetzeskonform.»
Das klingt wenig glaubwürdig. Schliesslich hatte die detaillierte Rechnung eine Rechnungsnummer, ist auf einem Rückforderungsbeleg ausgedruckt und die Praxisassistentin wusste nichts von einer lediglich «symbolischen» Rechnung.
Auf der Rechnung müsste ganz klar erkennbar sein, dass es sich hier um verpasste Konsultationen handelt.
Aber auch ein Begleitbrief hätte nichts daran geändert, dass diese Rechnung nicht korrekt ist, sagt Yvonne Gilli, Präsidentin der Ärzteverbindung FMH: «Auf der Rechnung müsste ganz klar erkennbar sein, dass es sich hier um verpasste Konsultationen handelt.» Die Rechnung sei somit nicht konform gemäss Ärztetarif Tarmed gestellt und deswegen auch nicht gesetzeskonform gemäss Krankenversicherungsgesetz.
Das Problem: Wären die Rechnungen der Krankenkasse als Rückforderung zugestellt worden, hätte diese vermutlich bezahlt, in der Annahme, die Behandlungen hätten tatsächlich stattgefunden, sagt Gilli. Dieser Einschätzung der FMH schliessen sich sowohl die Assura – die Krankenkasse der Seniorin – als auch die Schweizerische Patientenorganisation an. Leistungen, die nicht stattgefunden haben, dürfen nicht verrechnet werden. Die Rechnungen hätten so also keinesfalls versendet werden dürfen. Der Rheumatologe wollte dazu keine Stellung mehr nehmen.