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Lange Wartezeiten Tausende Beschwerden beim Bazl wegen bockiger Airlines

Die Beschwerdestelle beim Bund wird mit Anzeigen überhäuft. Fluggäste müssen daher lange auf einen Entscheid warten.

Nach ihren Ferien in Marokko will eine Swiss-Kundin mit ihren drei Kindern zurück in die Schweiz fliegen. Die vorgesehene Maschine bleibt aber am Boden. Grund: Ein Problem mit dem Motor, wie ihr die Airline später bestätigt. Nach einem mühsamen Hin und Her kann die Kundin für sich und ihre Kinder einen Rückflug buchen. Die Familie kommt mit grosser Verspätung zuhause an. Die Kundin verlangt dafür von der Airline eine Entschädigung. Diese lehnt ab.

Bazl: Noch mit Fällen von 2022 beschäftigt

Die Passagierin macht darauf eine Anzeige beim Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl). Dieses prüft, ob sich die betreffende Airline an die europäische Fluggastrechte-Verordnung gehalten hat. Die Verordnung gilt auch in der Schweiz. Das Bazl bestätigt ihr den Eingang der Meldung. Man werde sie über den Ausgang des sogenannten Verwaltungsstrafverfahrens informieren.

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Als es monatelang ruhig bleibt, erkundigt sich die Kundin beim Bazl, wo das Verfahren stehe. Sie erhält eine erstaunliche Information: Man erhalte sehr viele Meldungen und sei immer noch damit beschäftigt, Fälle von 2022 abzuarbeiten. Die Kundin ist irritiert: «Das kann es doch nicht sein.»

Allein im Juli 2024 weit über 700 Anzeigen

Bazl-Mediensprecher Antonello Laveglia bestätigt gegenüber dem SRF-Konsumentenmagazin «Espresso», dass die Beschwerdestelle regelrecht mit Airline-Anzeigen überhäuft wird. Man erhalte zwischen 5000 und 6000 Anzeigen pro Jahr. Tendenz steigend. «Allein im letzten Juli haben wir rund 770 Anzeigen erhalten.» Das sind gut 25 pro Tag. Die Anzeigen betreffen nicht nur die Swiss, sondern alle Airlines. Und wegen der hohen Anzahl an Anzeigen, dauere deren Bearbeitung «momentan länger als erwünscht», so Laveglia. Wie lange sich Betroffene gedulden müssen, bis in ihrem Fall ein Entscheid fällt, kann er nicht sagen. Dies variiere von Fall zu Fall. Aber: Jede Anzeige werde behandelt.

Gewaltiger Pendenzenberg – kleines Team

Für die Bearbeitung dieses gigantischen Pendenzenbergs stehen dem Bazl laut Laveglia gerade mal knapp fünf Vollzeitstellen zur Verfügung. Man wolle das Team bis Ende Jahr etwas aufstocken, sagt der Mediensprecher.

Wir merken, dass Fluggesellschaften oft reagieren, wenn das Bazl involviert ist.
Autor: Antonello Laveglia Mediensprecher Bazl

Aber die nötigen finanziellen Mittel seien noch nicht bewilligt worden. Um die Sache etwas zu beschleunigen, versucht das Bazl, gewisse Fälle zu bündeln, so weit möglich. Etwa, wenn mehrere Meldungen zur selben Flug-Annullation eingetroffen sind. Die Betroffenen müssen so oder so viel Geduld aufbringen.

Doch am Ende könnte sich das lange Warten auszahlen: «Wir merken, dass Fluggesellschaften oft reagieren, wenn das Bazl involviert ist», sagt der Mediensprecher. Sprich, dass die anfänglich verwehrte Entschädigung durch den Druck von oben plötzlich gezahlt wird. Auch wenn das Bazl von Amtes wegen keine solchen Entschädigungen durchsetzen kann. Es kann aber eine Airline büssen, wenn es zum Schluss kommt, dass diese gegen die EU-Verordnung verstossen hat.

Jurist: Verweigerung vieler Airlines ist das Problem

Jurist Simon Sommer von der Plattform «Cancelled.ch» setzt sich für Fluggäste ein. Er findet es schade, dass das Bazl so überlastet ist und die Betroffenen lange Wartezeiten in Kauf nehmen müssen: «Das liegt aber vor allem daran, dass viele Airlines auch bei eher klaren Fällen eine Entschädigung verweigern.»

Auch den vorliegenden Swiss-Fall zählt der Jurist dazu. Er glaubt, dass das Bazl zugunsten der Kundin entscheiden wird.

Espresso, 21.08.24, 08:10 Uhr

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