In den Park-and-Ride-Parkplatz in der Einkaufsmeile von Lyssach (BE) kann man ungehindert hineinfahren – es gibt keine Barriere, aber Sensoren in jedem Parkfeld und eine Verbotstafel: ein gerichtliches Parkverbot mit Androhung hoher Bussen. Wer dieses übersieht und nicht zügig die Parkgebühr am Automaten zahlt, erhält vom Betreiber eine Rechnung.
Wird die Forderung nicht beglichen, folgen teils ruppig formulierte Mahnungen mit überrissenen Mahngebühren und Drohungen mit einer Betreibung bis zum Strafbefehl der Staatsanwaltschaft. Immer wieder stösst der Betreiber jener Parkieranlage Autolenker und -lenkerinnen vor den Kopf. Kritiker sprechen von einer regelrechten «Bussen-Falle».
Nach diversen kritischen Berichten in den SRF-Konsumentenmagazinen «Espresso» und «Kassensturz» und anderen Medien versprach der Parkplatzchef Änderungen:
300-Franken-Strafe erweist sich als Fehler
Doch die Beschwerden reissen nicht ab. So meldet sich eine Hörerin bei «Espresso», die zuerst 52 Franken und danach über 300 Franken Nachforderungen bezahlen soll, obwohl sie nie auf dem Park and Ride in Lyssach parkiert hat. Das «Beweisfoto» auf dem entsprechenden Brief zeige nicht ihren Wagen, und auch die Nummer stimme nicht, sagt sie.
Sie läuft beim Parkplatz-Verantwortlichen aber mit zwei eingeschriebenen Briefen ins Leere. Monatelang keine Reaktion. Erst als sich «Espresso» bei ihm meldet, räumt er ein, dass einem Mitarbeiter ein Tippfehler unterlaufen sei. Man bedaure das. Auf die Frage, weshalb er auf die Briefe nicht reagiert habe, heisst es nur lapidar: «Ferienabwesenheit.»
«Rechtsmissbräuchliches Geschäftsmodell»
Grundsätzlich sieht sich der Betreiber im Recht. Alles sei rechtens. Und bislang hat das von offizieller Seite auch noch niemand bestritten. «Espresso» erfährt aber, dass ein Gerichtsurteil vorliegt, welches das Geschäftsmodell jenes Parkplatzbetreibers doch sehr in Frage stellt, es sogar als «rechtsmissbräuchlich» kritisiert.
Die Verhandlung am Regionalgericht Emmental-Oberaargau hat am 24. Januar 2024 stattgefunden. Das Gericht bestätigt dies. Zum mündlichen Urteil äussere man sich nachträglich aber nicht, heisst es auf Anfrage.
Umfassender Freispruch eines Falschparkers
Dafür gibt der Anwalt des Beschuldigten Auskunft. Er berichtet von einem umfassenden Freispruch seines Mandanten. Ein Mann, der abends auf jenem Parkplatz die Gebühren zahlen wollte, aber nicht konnte, weil die Parkuhr nicht funktioniert habe. Vor Ort sei niemand mehr anwesend gewesen, um sich des Problems anzunehmen. Deshalb hat der Autolenker den Strafbefehl wegen Übertretung des Parkverbots der Staatsanwaltschaft Emmental-Oberaargau angefochten.
Das Gericht hat laut dem Anwalt nicht nur die Situation des gebüssten Automobilisten nachvollziehen können, es habe vor allem auch das System grundsätzlich und in mehrfacher Hinsicht kritisiert. Die wichtigste Kritik: Ein gerichtliches Parkverbot sei dazu da, um eine Störung des Grundstücks abzuwenden, um Fremdparkierer von einem privaten Parkplatz fernzuhalten.
Der Parkplatzbetreiber wolle hingegen, dass man auf seinen P&R-Parkplatz komme. Er wolle damit Geld verdienen. Deshalb sei die Verbotstafel dort fehl am Platz. Die darauf basierenden Bussen hätten keine Rechtsgrundlage.