Kündigungen von Mobil-, Internet-, Festnetz- und TV Abos nimmt Telekomanbieter Sunrise nur telefonisch oder via Chat entgegen. Kündigungen per Brief oder Mail sind laut den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Sunrise nicht gültig.
Diese Regelung ist für viele Kundinnen und Kunden ein Ärgernis. Bei «Kassensturz» und «Espresso» melden sich immer wieder Betroffene und berichten von endlosen Wartezeiten am Telefon und Problemen im Chat.
Ob diese Klausel rechtlich überhaupt zulässig ist, bezweifeln Rechtsexpertinnen und Experten. Eine Kündigung ist ein so genanntes Gestaltungsrecht. Es kann von einer Partei ohne Mitwirkung der Gegenseite ausgeübt werden. Die Klausel von Sunrise widerspricht diesem Rechtsgrundsatz. Ein Kunde wollte es deshalb genau wissen. Er zog gegen Sunrise vor Gericht und machte geltend, die Klausel sei ungewöhnlich und unlauter. Doch die Gerichte wiesen seine Klagen ab.
Für Bezirks- und Obergericht ein zu kleines Missverhältnis
Das Bezirksgericht Zürich und das Obergericht Zürich sind im Wesentlichen der Meinung, die entsprechende Klausel sei für Kundinnen und Kunden ein Nachteil, weil sie ein «offensichtliches Ungleichgewicht» zwischen ihnen und Sunrise schaffe. Jedoch sei dieses Missverhältnis aufgrund der gesamten Umstände nicht «als erheblich» zu qualifizieren.
Damit liess sich der betroffene Konsument nicht abspeisen und zog seine Klage vor Bundesgericht. Doch das höchste ging auf seine Klage nicht ein. Konsequenz: Die Frage, ob Sunrise ihren Kundinnen und Kunden verbieten kann, schriftlich zu kündigen, bleibt ungeklärt.
«Keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung»
Der Gang ans Bundesgericht ist an verschiedene Voraussetzungen gebunden: Um eine Frage höchstrichterlich entscheiden zu lassen, muss es um einen Streitwert von mindestens 30'000 Franken gehen. Das Bundesgericht kann aber auch geringfügigere Streitsachen behandeln, wenn es sich um «eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung handelt». Welche Fragen das sind, entscheidet das Bundesgericht selbst.
Anwalt und Konsumentenschutz sind enttäuscht
Marc Wolfer, der Anwalt des Sunrise-Kunden, hat dem Bundesgericht verschiedene Punkte vorgelegt, welche seiner Meinung nach grundsätzlich zu klären wären. Beispielsweise, ob es zulässig ist, dass die Firma bei der Kündigung eines Kunden mitwirken muss. Der Kundendienst muss ja den Anruf entgegennehmen oder im Chat reagieren, damit der Kunde kündigen kann. Weiterer Punkt: Die Vorinstanzen haben nicht nur den fraglichen Text der AGB-Klausel beurteilt, sondern auch Erklärungen von Sunrise gelten lassen, wie die Klausel umgesetzt werde. Für den Anwalt fragwürdig.
Wolfer ist enttäuscht vom Bundesgerichtsentscheid und sagt gegenüber «Espresso»: «Von mir aus gesehen ist es auch eine verpasste Chance, bei der Kontrolle von AGBs Pflöcke einzuschlagen und auch, um die unsägliche Kündigungspraxis von Sunrise zu stoppen.»
Auch die Stiftung für Konsumentenschutz sei ernüchtert, sagt Geschäftsführerin Sara Stalder: «Plakativ gesagt: Das Bundesgericht findet, solche AGB-Fragen seien nicht von solcher Bedeutung, dass es sich damit auseinandersetzen müsste.» Der Konsumentenschutz sehe dies total anders. Genau solche Fragen zum Kleingedruckten müssten eigentlich vor Bundesgericht entschieden werden. «Doch das Bundesgericht hat die Türe ziemlich zugeschlagen, dass es solche Dinge beurteilen möchte.»