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Ruf nach Obligatorium wird lauter
Aus Kassensturz vom 14.11.2023.
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Krankentaggeldversicherung Lohnausfallschutz unter Druck: Versicherungen lassen KMUs hängen

Mehrere Krankheitsfälle innert kurzer Zeit reichten, dass Taggeld-Versicherungen die Policen kündigten bzw. die Prämien erhöhten.

Arbeitgeber sind verpflichtet, Arbeitnehmenden bei Krankheit weiterhin Lohn zu bezahlen, zumindest für eine begrenzte Zeit. Die Dauer hängt ab vom Dienstjahr und vom jeweiligen Kanton. Im ersten Jahr sind es drei Wochen, im 21. Dienstjahr sechs Monate.

Einen besseren Schutz bieten Krankentaggeldversicherungen. Sie übernehmen Lohnzahlungen für längere Zeit, wenn Angestellte krank werden und ausfallen. In der Regel zahlt die Versicherung zwischen 80 und 90 Prozent des letzten Lohnes, während maximal 730 Tagen.

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Ohne Versicherung geht es an die Substanz

«Helvetiarockt» hat sich für den besseren Lohnschutz entschieden und eine Taggeldversicherung für die Mitarbeitenden abgeschlossen. Regula Frei, Co-Geschäftsführerin des Vereins, sagt: «Bei uns arbeiten alle Teilzeit. Die Löhne in der Musikbranche sind tief. Wenn jemand krank ist und dann ein Teil wegfällt, dann geht es ans Substanzielle.» Der Verein setzt sich für Diversität in der Musikwelt ein und beschäftigt rund ein Dutzend Mitarbeitende.

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Regula Frei: «Die Taggeldversicherung sollte die Arbeitnehmenden und die Arbeitgebenden absichern»
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Rund zehn Jahre bezahlte der Verein Prämien. Als eine Mitarbeiterin an Krebs erkrankte und zwei weitere nach der Corona-Pandemie ausfielen, kündigte die Versicherung den Vertrag wegen «hoher Schadenbelastung». Das kritisiert Regula Frei: Eine Krankentaggeldversicherung müsse sowohl Arbeitnehmenden als auch Arbeitgebenden Sicherheit bieten.

Langjährige Kunden werden zur Kasse gebeten

Ähnliche Erfahrungen machte Peter Marti, Geschäftsführer von «Marti Communications». Mit der Versicherung kann er die Lohnfortzahlungspflicht für seine Firma mit 18 Mitarbeitenden absichern: «Wenn jemand ein Burnout hat, das sechs Monate oder bis zu zwei Jahren dauert, dann ist das für ein Unternehmen schwierig zu verkraften.» Nach mehreren Krankheitsfällen in seinem Team verdreifachte die Versicherung die Prämien auf rund 26'000 Franken. Peter Marti kritisiert, seit elf Jahren wäre die Firma Kundin der Versicherung, aber diese schaue nur die letzten drei Jahre an.

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Kurt Pärli: «Wenn das Risiko zu hoch ist, bieten die Versicherungen keinen Vertrag an»
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Lücken in der Gesetzgebung

Gemäss Kurt Pärli, Professor für soziales Privatrecht an der Universität Basel, ist dieses Vorgehen zulässig: «Krankentaggeldversicherungen sind Privatversicherungen und schöpfen den gesetzlichen Spielraum aus. Das Problem ist die lückenhafte Gesetzgebung.»

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Stephan Kink: «Keine Versicherung ist verpflichtet einem aufzunehmen»
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Stephan Kinks Betrieb ist im Bereich Hauswart-Dienstleistungen tätig. Auch er erhielt die Kündigung der Versicherung. In dieser Branche schreibt der Gesamtarbeitsvertrag (GAV) eine Krankentaggeldversicherung vor. Ohne diese müsste Stephan Kinks Firma Lohnausfall bezahlen wie eine Krankentaggeldversicherung, also 80 Prozent des Lohns, während zwei Jahren. 

Parlament ist gefordert

Das Wegfallen der Versicherung ist deshalb für den Geschäftsführer der «Kink Haus Wartungen» existenzbedrohend: «Wenn es so Fälle gibt, die ich in der letzten Zeit gehabt habe und keine Versicherung springt ein, dann können wir den Laden dicht machen.»

Alle drei UnternehmerInnen haben versucht, die Situation mit neuen Versicherern zu lösen. Jedoch: Als Betrieb mit «hoher Schadenquote» will sie kein Versicherer in eine Kollektiv-Krankentaggeldversicherung aufnehmen.

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Kurt Pärli: «Es ist ein Obligatorium anzustreben»
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«Das Parlament ist gefordert, Gesetze zu erlassen, die den Versicherungsschutz auf alle Arbeitnehmenden ausweiten», sagt Professor Kurt Pärli. Ein Obligatorium, wie es Mitte-Nationalrat Marco Romano fordere, gehe in die richtige Richtung.

Stellungnahme Schweizerischer Versicherungsverband (SVV)

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Der Schweizerische Versicherungsverband (SVV) teilt Kassensturz mit, er könne sich nicht zu den konkreten Fällen äussern.

Zur Kritik, dass die KMUs keinen andern Versicherungsanbieter mehr finden konnten und deswegen in Schwierigkeiten gekommen sind, schreibt der SVV:

«Grundsätzlich halten wir fest, dass die stark überwiegende Mehrheit der Betriebe einen KTG-Versicherer hat und diesen auch wechseln kann. Aus Sicht der Branche handelt es sich bei Betrieben, bei denen eine Kündigung ausgesprochen wird und die danach keinen Versicherer mehr finden, um sehr seltene Einzelfälle. Wichtig ist, dass die Kündigung des Vertrags mit dem Arbeitgeber keinen Einfluss auf die Leistungen hat, die für die bestehenden (laufenden) Krankheitsfälle anfallen. Die Leistungen werden weiterhin ausgerichtet, max. bis zur Ausschöpfung der maximalen Leistungsdauer (720 oder 730 Tage).»

Der SVV schreibt zum Vorwurf der betroffenen KMUs, sie hätten jahrelang Prämien bezahlt, als es längerfristige Krankheitsfälle gegeben habe und habe die Versicherung relativ schnell den Vertrag gekündigt:

«Zu den Details können wir uns nicht äussern. Die Prämie in der Kollektivtaggeldversicherung ist risikogerecht nach Branchen und Betrieben auszugestalten. Betriebe mit tiefer Krankheitsquote profitieren von günstigeren Prämien. Versicherungsverträge mit Betrieben, die über Jahre hinweg eine hohe Schadenquote haben, müssen in Extremfällen «saniert» werden. D.h. es erfolgt eine Kündigung des Vertrags, die in der Regel mit dem Angebot für eine höhere, risikogerechte Prämie verbunden ist.»

In der Pflicht sieht der SVV auch die Arbeitgebenden: «Sie haben gegenüber ihren Arbeitnehmenden eine arbeitsrechtliche Fürsorgepflicht. Diese beinhaltet auch die Pflicht, präventive Massnahmen zu ergreifen, um Krankheitsfälle im Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz weitestgehend zu vermeiden, damit wirtschaftlich tragbare Prämien möglich bleiben.»

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Diana Gutjahr, SVP Nationalrätin: «Ein Obligatorium würde nicht zu einer Verbesserung führen»
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Kassensturz, 14.11.23, 21:05

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