Frau M. ist 82 Jahre alt. Seit sie weiss, dass ihr gesamtes Erspartes von 660'000 Franken blockiert ist, verschlechtert sich ihr Gesundheitszustand: «Ich werde wahrscheinlich nie darüber hinwegkommen, bis ich dann nicht mehr da bin.»
Die pensionierte Krankenpflegerin hatte ihren Ruhestand geplant und lebt in einer betreuten Alterswohnung. Doch diese kann sie sich nicht mehr lange leisten. Der Grund: Sie vertraute ihr Geld Vermögensverwalter Pius Wendelspiess an.
Nach «Kassensturz»-Beitrag wird das Drama sichtbar
Als sie am 21. Januar den «Kassensturz» schaute, wurde ihr klar: Sie hat ein Problem. In der Sendung ging es um Frau J., ebenfalls pensioniert, und Kundin von «Wendelspiess Partners AG». Auch sie hatte Wendelspiess ihr gesamtes Vermögen – knapp eine Million Franken – anvertraut. Das Versprechen: Sicherheit und regelmässige Auszahlungen.
Doch das gesamte Geld floss in einen einzigen Fonds: den «WP Multi-Strategy Fund». Rund 82 Millionen Franken schwer, verwaltet von Wendelspiess selbst – eine heikle Doppelrolle. Der Fonds stecke in einem Liquiditätsengpass, hiess es. Die Folge: Die Anlegergelder sind blockiert – bei Frau J. seit über anderthalb Jahren.
Frau M. realisiert: Ihr ist das Gleiche passiert. Zusammen mit ihrem Bekannten Peter Heinzer fordert sie Einsicht in ihre Unterlagen. Ihr Risikoprofil war klar: keine Risiken. Trotzdem investierte Wendelspiess fast ihr gesamtes Vermögen in seinen riskanten Fonds. Heinzer sagt: «Das ist jenseits von dem, was man abgemacht hatte.»
Zahlreiche weitere Betroffene bangen um Pensionskassengeld
Nach der Sendung meldeten sich zahlreiche weitere Betroffene bei «Kassensturz». Viele sind älter, haben oft ihr ganzes Pensionskassengeld bei «Wendelspiess Partners AG» investiert.
Andreas Mikos ist Anwalt und vertritt 40 Geschädigte. Er versucht, für seine Klienten und Klientinnen noch Geld zurückzubekommen und prüft, die Firma zu verklagen.
Wo war die Aufsicht?
Für Vermögensverwaltungen sind im Finanzmarktrecht verschiedene Kontrollstellen eingebaut. Das Gesetz schreibt vor, dass Vermögensverwalter über eine Risk- und Compliance-Stelle verfügen. Wendelspiess beauftragte dafür eine externe Firma. Doch dieser fielen die hohen Risiken offenbar nicht auf.
Jeder Vermögensverwalter muss sich einer Aufsichtsorganisation anschliessen. Die hier zuständige Aufsichtsorganisation «Fincontrol» führt keine eigenen Prüfungen durch, sondern beauftragt Dritte. Im Fall Wendelspiess dieselbe Firma, die auch als Revisionsstelle diente. Auch ihr fiel offenbar nichts auf.
Jurist Claude Müller, der Frau J. unterstützt, wandte sich mehrfach an die Aufsichtsstellen «Fincontrol» und «Finma» (Finanzmarktaufsicht) – doch er kam nicht weiter: «Man erhält keine Hilfe. Es dauerte neun Monate, bis die ‹Finma› reagierte», sagt er.
Die angefragten Kontrollfirmen und Aufsichtsstellen äussern sich nicht weiter zum Fall: Entweder sie verweisen auf die Geheimhaltungspflicht – oder erklären sich für nicht zuständig.
Der unabhängige Finanzanalyst Christian Dreyer sagt: «Wenn so ein Fall bei Stichproben nicht auffällt, funktioniert das System nicht.» Für Frau M. ist das fatal: Noch bis Ende Jahr reicht ihr Geld. Danach droht mit 83 Jahren der Auszug aus der Alterswohnung.