Sie geben sich als Polizisten aus und gaukeln vor, die Tochter sei verhaftet worden, weil sie einen Autounfall verursacht hätte. Neben dem Telefon des falschen Polizisten weint die angebliche Tochter. Sie schluchzt: «Die Frau ist tot … und ich bin schuld.»
Neuer Trick – alte Masche
Das Betrugsszenario: ältere Menschen unter Druck setzen, um ihnen möglichst viel Geld aus der Tasche zu ziehen.
Ende April erhielt die Mutter von Markus B. einen Anruf von einem falschen Polizisten. Dieser behauptete, wegen des Autounfalls brauche es eine Kaution, sonst würde die Tochter verurteilt. Die Mutter von Markus B. sagt, das Weinen der Tochter sei ihr unter die Haut gegangen: «Das war sehr schlimm für mich. Ich konnte nichts anderes tun, als so schnell wie möglich zur Bank zu gehen.»
Die Betrüger drängten, es eile. Während die betagte Frau mit dem Bus zur Bank fuhr, musste sie das Handy eingeschaltet lassen. Sie wollte wie gefordert 55'000 Franken abheben. Doch die Bezugslimite auf ihrem Sparheft verhinderte das. Sie bezog 40'000 Franken von zwei Konten, um das Geld dann einem angeblichen Zivilpolizisten zu übergeben.
Ihr Sohn kritisiert, bei der Raiffeisenbank habe niemand nach dem konkreten Verwendungszweck von so viel Bargeld gefragt. «Ich verstehe nicht, dass man die Auszahlung von einem so hohen Bargeldbetrag einfach durchwinkt – bei einer Kundin, die normalerweise 500 bis 1000 Franken abhebt.»
Spuren führen nach Polen
Bei der Kantonspolizei Zürich gehen täglich Meldungen zu solchen Schockanrufen ein. Rolf Decker von der Abteilung Prävention warnt seit Jahren vor Telefonbetrug: «Die Geschichte mit dem Verkehrsunfall wird von den Tätern seit dem Beginn des Jahres mehr und mehr angewendet.»
Recherchen von «Spiegel TV» decken auf, dass sich mutmassliche Hintermänner dieser Betrugsmasche in Polen befinden, ebenso die Callcenter, von wo aus sie nach Deutschland und in die Schweiz anrufen. So auch beim Schockanruf bei der Mutter von Markus B.. Ermittlungen der Polizei haben ergeben, dass die Telefonnummern, von denen sie angerufen wurde, in Polen registriert sind.
Offenbar steckt hinter dieser Betrugsmasche die Familie Goman. «Spiegel TV» liegen Belege vor, dass der weitverzweigte Clan bei unzähligen Betrugsfällen eine Rolle spielt, in Deutschland vor allem mit Schockanrufen. Bei der Konfrontation mit dem «Spiegel TV»-Reporter streitet Bronek Goman, einer der Clanführer, ab, etwas damit zu tun zu haben.
Noch nie so viele Telefonbetrugsfälle
Noch nie gab es schweizweit so viele versuchte und vollendete Fälle. Es gibt regionale Unterschiede, mit Abstand am stärksten betroffen ist der Kanton Zürich. Nicht von allen Kantonen liegen Daten vor, denn Telefonbetrug wird nicht überall separat in den Statistiken erfasst.
Auch die Schadenssumme hat zugenommen: Im Jahr 2021 waren es knapp 6 Millionen Franken – dieses Jahr sind es in den ersten 9 Monaten bereits 8 Millionen.
Doch es ist von höheren Zahlen auszugehen. Präventionsexperte Rolf Decker sagt, die Dunkelziffer sei hoch. Er erklärt, viele betroffene hätten eine gewisse Scham. Doch er rät allen, Anzeige zu erstatten. Das hat auch die Mutter von Markus B. gemacht.
Weitere Informationen:
- Schweiz. Kriminalprävention: Broschüre zum Ausdrucken Schweiz. Kriminalprävention: Broschüre zum Ausdrucken
- Schweiz. Kriminalprävention: Telefonbetrug – Wenn falsche Polizisten Geld abholen Schweiz. Kriminalprävention: Telefonbetrug – Wenn falsche Polizisten Geld abholen
- Informationen der Kantonspolizei Zürich Informationen der Kantonspolizei Zürich
- Pro Senectute: Schutz vor Finanzmissbrauch Pro Senectute: Schutz vor Finanzmissbrauch
- Pro Senectute: Ein gesundes Mass an Misstrauen Pro Senectute: Ein gesundes Mass an Misstrauen
- SRF 1 «Ratgeber»: So durchschauen Sie falsche Anrufer SRF 1 «Ratgeber»: So durchschauen Sie falsche Anrufer
Markus B. sagt, Banken könnten mehr zur Verhinderung von solchen Betrugsdelikten tun. Er fordert eine Limite für Bezüge am Schalter – wie beim Bankomaten. Oder: «Rücksprache-Optionen, also dass Angehörige Kontaktdaten angeben können und hohe Beträge erst nach Rücksprache mit den Angehörigen ausbezahlt werden.»